Kuckucksuhren etc.

Annemarie Baumgarten

von Annemarie Baumgarten

Story
Bad Schandau 1977 – 1990

In der Nähe des Postamtes war ein Uhren- und Schmuckgeschäft. Zwei zugeknöpfte ältere Damen bedienten dort. Der Inhaber hatte schon das Zeitliche gesegnet, an der Wand hing ein Bild von ihm mit schwarzer Schleife. Öfters sahen wir die Auslagen an. Ich war mehr am Schmuck interessiert, Vati hatte es auf die Uhren „abgesehen“. Einige Male gingen wir ins Geschäft. Vati wollte die alte Kuckucksuhr oder einen Regulator schlagen hören. Geklappt hat es fast nie, denn es lebten wohl Schichtarbeiter im Haus.

Gegenüber gab es Porzellan, Haushalts- und Elektrowaren sowie Schuhe. Ein Optiker und ein Bekleidungsgeschäft waren auch auf dieser Straße, an der Ecke ein Blumengeschäft. In der Flora-Drogerie an der Otto-Buchwitz-Straße nach dem Stadtpark betrachteten wir oft Ansichtskarten, Fotografien und Fotoapparate. Über eine breite Treppe kam man zur Verkehrsstraße, wo noch Schienen verlegt waren. Früher fuhr die Kirnitzschtalbahn bis zum Personenaufzug Ostrau. Man hat eine schöne Aussicht vom Fahrstuhl und von der Plattform. Der 1904 als kürzeste Verbindung zwischen den Sendig-Hotels und der Villensiedlung Ostrau gebaute Fahrstuhl steht seit 1954 unter Denkmalschutz. In einer schlanken Eisenkonstruktion von 62 m Höhe gleitet die zehn Personen fassende Kabine mit einer Geschwindigkeit von 1 m/s auf 50 m Hubhöhe. Rings um die Plattform ist ein verziertes Geländer. Zu DDR-Zeiten wurden jährlich 350.000 Fahrgäste befördert. Der Fahrstuhlführer kassierte während der kurzen Fahrt das Beförderungsentgelt. Früher wurde unten am Schalter bezahlt. Ein einzelner Stuhl stand im Aufzug. In manchem Jahr war der Fahrstuhl durch die Personalsituation oder technische Gründe außer Betrieb. In Ostrau gegenüber vom Aufzug war ein Zwinger mit zwei Braunbären namens Taps und Tine, später eine neue „Besatzung“. Sie hatten einen Autoreifen zum Spielen. Links vom Zwinger führt ein Weg in den Stadtpark. Abends sah man durch die Gardinen Fernseher in Gästezimmern des Kneippkurbades flimmern. Die Parkanlagen des Kurbades gehen am VdN-Ehrenmal nahtlos in den Stadtpark über. Dort gibt es schöne Plastiken. Wir besuchten das Museum in der Badallee, das Natur- und Heimatkunde des oberen Elbtals, Wissenswertes über Geologie, Steinbrecherei, Stadtgeschichte, Schifffahrt, Touristik und Bergsteigen vermittelte. Vor der Kulturstätte am Stadtpark fanden am Sonntagmorgen Kurkonzerte statt. Mit Kurkarte gab es freien Eintritt, Veranstaltungen in der Kulturstätte waren mit der Karte ermäßigt. Jährlich hielten sich zu DDR-Zeiten ca. 3.000 Patienten im Kneippkurbad auf. Die Kur nach Pfarrer Sebastian Kneipp wurde hier 1936 eingeführt.

1978 war die Bad Schandauer Kirche (am Rande des Marktes) eingerüstet. Sie wurde Ende der 1990er Jahre beim „Glockenläuten“ im MDR-Fernsehen gezeigt. Durch ein schmales Gässchen zwischen dem FDGB-Heim „Antonin Zapotocky“ (im florentinischen Landhausstil erbaut, es gehört/e zu den Sendig-Hotels), und dem VEB Schiffswerft Oberelbe erreicht man die Elbpromenade, an deren Ende die Kirnitzsch nach 38 km in die Elbe fließt.

© Annemarie Baumgarten 2024-05-08

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