von Cecilia
„Gestalte ein CD-Cover“ war die Aufgabe im Kunstunterricht in der Oberstufe. Als Motiv wählte ich einen Unterarm auf welchem das Logo von My Chemical Romance zu sehen war. Durch die rote Farbe und dem eh schon leicht geritzten Stil der Schrift sah es aus, als hätte sich jemand selbst verletzt und somit die Buchstaben in den Arm geschnitten. Ich fand, das passte sehr gut zu dem Image der Band. Beim Vorstellen des vollendeten Werkes schien mein Lehrer nicht so recht zu wissen, wie er meine Absichten deuten sollte. Er habe sich die Musik angehört und versuchte mit viel zu vielen Worten um das Bild an sich herumzureden. Mir wäre lieber gewesen, er hätte sich kurzgehalten.
Das nächste Projekt war eine modellierte Gipsfigur. Ich entschied mich für eine verzweifelt auf dem Boden sitzende Pose. Die Figur setzte ich mit dem Kopf nach vorne gerichtet ans Ende eines länglichen Brettes, welches ich zuvor schwarz angemalt hatte. Es sollte gezielt das Ende des Weges symbolisieren. Ich gab dem ganzen den Titel „Der Anfang ist nah„, angelehnt an das gleichnamige Lied von Käptn Peng & die Tentakel von Delphi. Bei der Präsentation erklärte ich, dass es sich hierbei um das unausweichliche Ende handele, welches ich paradoxerweise als Anfang betitelte. Die damit einhergehende Verzweiflung und das Aufgeben der Hoffnung auf Besserung oder gar einen Ausweg. Erneut raubte ich meinem Lehrer damit die Worte. Die Möglichkeit bestehe ja weiterhin, dass die Person aufsteht, sich umdreht und den Weg wieder zurückgehen kann, war sein einzig kläglicher Versuch dem Ganzen doch etwas Positives einzuhauchen. Mehr Optimismus wollte ich gar nicht hören und stimmte einfach zu.
Selbstinszenierung lautete das folgende Thema. Wir sollten ein normales Bild von unserem Gesicht machen und als nächstes eines, in welchem wir uns verstellen. Im Anschluss sollten wir durch alle möglichen Techniken die Gefühle hinter der Fassade zum Vorschein bringen. Für das zweite Bild verdeckte ich mein Gesicht mit den Händen und ließ lediglich den Hintergrund aufleuchten, während der Kopf an sich schwarz-weiß blieb. Das erste Bild verpixelte ich mit Photoshop und klebte einen schwarzen Streifen mit dem Wort unconscious über die Augen. „Gezwungene Koexistenz“ betitelte ich das ganze. Am Tag der Vorstellung war ich krank. Mein Lehrer bat mich danach um ein persönliches Gespräch. Seine Worte des Mitgefühls glitten durch mich hindurch. Ich dachte, in der Kunst kann man sich wirklich offenbaren, doch im Nachhinein frage ich mich selbst, wie ich solch eindeutige Werke anfertigen konnte. Jeder Lehrer wäre eingeschritten. Allerdings ich sah es damals ganz nüchtern- diese Werke waren kein Hilfeschrei. Sie waren letztendlich nur die Widerspiegelung meiner inneren Gefühle. Einfach, um sie zum Ausdruck zu bringen. Nach all den Jahren frage ich mich, ob meine Mitschüler genauso dachten wie unser Lehrer. Ob sie es komisch fanden oder gar der Meinung waren, ich wollte Aufmerksamkeit? Wahrscheinlich wissen sie jedoch nicht, dass ich genau das Gegenteil immer anstrebte; denn eigentlich wollte ich einfach nur nie gesehen werden.
© Cecilia 2023-07-27