von Günter Zimmel
Was mir in all meinen Besuchen im Kurpark Bad Cannstatt nie ganz bewusst wurde, ist die Tatsache, wie groß diese Anlage in Wirklichkeit ist. Heute beziffert man die Größe mit 15 Hektar, das sind 21 Fußballfelder. Sehr wohl verinnerlicht habe ich aber seine außergewöhnliche Schönheit. Immer wird mir die Ruhe in Erinnerung bleiben, welche ich bei meinen Spaziergängen durch die Wäldchen und über die Wiesen erfahren durfte. Nur, um dort noch einmal flanieren zu dürfen, wäre eine Reise nach Stuttgart wert.
Kurz zur Geschichte: Begonnen hat alles im heutigen Unteren Kurpark. Dort befindet sich seit jeher die Wilhelmsquelle. Darüber wurde anno 1819 zum Schutz ein Pavillon mit einem Strohdach gebaut. 1821 wurde als Verbindung zum damaligen Hotel Wilhelmsbad eine Promenadenallee angelegt. 1825 entwarf Nikolaus von Thouret den Kursaal. Dieser wurde aber aus Geldmangel erst nach zehn Jahren Bauzeit 1835 fertiggestellt. Damit hatte Cannstatt ein Kurbad, das in den 1870er Jahren seinen Höhepunkt hatte. Ab 1835 begann man, die östlich des Kursaales gelegenen Flächen auszubauen und erschuf den Oberen Kurpark. Allerdings wurde der Kurpark erst 1915 fertig. Aber erst 1933 wurde Cannstatt zum Bad ernannt. Zu einer Zeit, da es kaum mehr Kurgäste gab.
Im Südosten befand sich die Villa von Gottlieb Daimler mit einem beeindruckenden Garten. Dieser wurde 1974 ebenfalls in den Kurpark integriert. Von der Villa bestehen heute nur noch ein paar Grundmauern. Erhalten ist aber noch die sogenannte Wandelhalle und ein kleines Gartenhäuschen. Und in diesem Häuschen stellten einst Daimler und Wilhelm Maybach den ersten schnelllaufenden Ottomotor und das erste vierrädrige Kraftfahrzeug mit Verbrennungsmotor her. Für mich ein Meilenstein der Geschichte. Heute befindet sich in dieser kleinen Hütte die Gottlieb-Daimler-Gedächtnisstätte. Die zu besichtigen kann ich jedem nur anraten. Ausgestellt sind Original-Werkzeuge von Daimler, Nachbauten einiger Motoren und Plankopien. Man fühlt sich dort wirklich hundertdreißig Jahre zurückversetzt. Ein Erlebnis für Jung und Alt.
Ich persönlich habe im Kurpark Bad Cannstatt gerne Schach gespielt, Party gemacht, das widerlichste Wasser aller Zeiten aus einem der zahlreichen Trinkbrunnen gekostet und auch schon mal dort übernachtet. Das ist aber eine andere Geschichte, welche ich hier schuldig bleibe.
Es gäbe so viel über diese Anlage zu erzählen. Über den Kursaal selbst. Über König Wilhelm I und seinen Beitrag zur Entstehung des Parks. Markant auch der Juno-Brunnen von Emil Kiemlen anno 1910 oder der 1934 erbaute Lautenschlägerbrunnen von Jakob Clement. Am besten ist es, die wunderschöne Kuranlage auf eigene Faust zu erkunden. Und wenn dann einen der Durst quält, nichts wie ab zum Kursaal. Dort im Biergarten sitzt Du unter den Schatten spendenden Bäumen und genießt ein kaltes Hofbräu. Da kann es schon mal vorkommen, dass man glaubt, Gottfried Daimler über die Straße gehen zu sehen …
© Günter Zimmel 2021-09-11