Küssen unter der Straßenlaterne

Theodor Leonhard

von Theodor Leonhard

Story
Kann überall sein

Friederike spürte immer noch manchmal Schmetterlinge im Bauch, wenn sie daran dachte, wie sie und Justin sich zum ersten Mal geküsst haben. In Justin kam immer noch so ein ganz bestimmtes Gefühl auf, wenn er sich an jene Kussszene unter der Straßenlaterne erinnerte.

Die beiden haben seither schon viel miteinander erlebt. Im letzten Urlaub haben Friederike und Justin sich gegenseitig einen Heiratsantrag gemacht und beide haben JA gesagt. Im Internet haben sie sich In einem Portal über Aussagen für eine glückliche Ehe kundig gemacht. Ausgerechnet aus einem Satz der Bibel sind sie hängen geblieben, weil der sie so sehr an den Anfang ihrer Liebe erinnert hat: “Frieden und Gerechtigkeit küssen einander!”

Schon das hat sie verwundert, dass in der Bibel von einer zärtlichen Liebe die Rede ist, bei der das Küssen eine wichtige Rolle spielt. Damit hätten sie nicht unbedingt gerechnet. Und dann haben sie sich ein paar Abende lang Gedanken gemacht, wie so ein eigenartiger “Kuss” von Frieden und Gerechtigkeit ihr gemeinsames Leben glücklich machen könnte.

“Ist ja komisch so eine Vorstellung, vom Frieden der Küsse verteilt!” – “Gerechtigkeit, da stelle ich mir ein Gericht mit einem Richter in einer schwarzen Kutte vor, aber doch keinen romantischen Kuss!” – “Frieden in unserer Liebe? Ich will Dir schon sagen, wenn mir etwas nicht gefällt oder wenn Du mich verletzt hast. Um des Friedens willen werde ich nicht meinen Mund halten! Das wäre nur ein fauler Frieden” – “Wir wollen schon als Partner auf Augenhöhe miteinander leben und ich will genauso wie Du zu meinem Recht kommen!” – “Vielleicht ist das der Kuss, dass jeder von uns zu seinem Recht kommt, aber wir werden nicht rechthaberisch!” – “Und wir leben friedlich zusammen. Aber wir bleiben dabei ehrlich und keiner von uns zieht das Genick ein.” – “Was wir erledigen müssen und wollen! Meinst Du, wir schaffen es, dass wir das gerecht aufteilen?” – “Wenn Frieden und Gerechtigkeit sich gegenseitig so nahe kommen wie wir damals unter der Straßenlaterne.”

Bei ihren Kussgedanken (Das Rechtschreibprogramm schlägt hier Nussgedanken oder Gussgedanken vor!) kamen Friederike und Justin immer wieder auch auf die große, weite Welt zu sprechen, auf das gesellschaftliche Zusammenleben, auf die Politik, auf die internationalen Beziehungen. Sie hatten das Gefühl. dass sehr oft weder die Gerechtigkeit noch der Frieden richtig zum Zug kamen. „Nicht Recht, sondern Geld regiert die Welt!“ – „Gier stellt dem Frieden nicht nur einen, sondern gleich mehrere Beine!“ – „Wer Frieden will, der muss nur allzu oft klein beigeben. Sonst bekommt er keine Ruhe.“ – „Wer vorgibt für das Recht zu kämpfen, der kann durchaus rechthaberisch Unrecht verbreiten.“ Wie sollen Frieden und Gerechtigkeit sich küssen können?.

Justin und Friederike beschließen: „Wir bauen Straßenlaternen. Wir schaffen eine Atmosphäre, die einfach zum Küssen einlädt. Vielleicht lassen sich der Frieden und die Gerechtigkeit ja miteinander locken! Vielleicht lassen Menschen immer wieder ein zärtliches Date der beiden zu!“

© Theodor Leonhard 2024-10-01

Genres
Romane & Erzählungen
Stimmung
Herausfordernd, Hoffnungsvoll, Inspirierend
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