von Jette Lübeck
Weiß
Thomas Gottschalk ist in meiner Kindheit als Werbegesicht untrennbar mit Gummibärchen verbunden. Deshalb kommt mir zusammen mit meiner Schulfreundin eine – zumindest in unseren Augen – grandiose Idee: wir bewerben uns bei „Wetten, dass…“ (die Show mit Thomas Gottschalk ist zu dieser Zeit noch erfolgreich) mit der Wette, in einer bestimmten Zeit eine bestimmte Anzahl an Gummibärchen mit dem Mund fangen und essen zu können. Doch bevor wir uns bewerben können, müssen wir natürlich erst üben. Und so verbringen wir Tage, wenn nicht sogar Wochen damit, uns gegenseitig Gummibärchen in rauen Mengen in die Münder zu werfen. Sogar den Geburtstag einer Freundin nutzen wir, um unser Gummibärchenvolumen zu testen und zu trainieren. Wir machen ein Gummibärchenwettessen. Ich gewinne. Die Verliererin sagt auf der Toilette den bunten Dingern ein zweites Mal Hallo, diesmal rückwärts. Zu der Bewerbung bei „Wetten, dass…“ ist es dann aber doch nie gekommen und bald wurde die Show auch abgesetzt. Ich bin ziemlich sicher, wenn wir mitgemacht hätten, wäre das nicht passiert.
Hellrot
„Haribo macht Kinder froh, und Erwachsene ebenso“ – das ist das Versprechen, das uns Thomas Gottschalk, der alte weiße Mann mit den blonden Prinzessinnenlocken in der Werbung gibt. Und ich stelle es auf die Probe: als ich mit fünfzehn für einen Monat nach Los Angeles fliege, habe ich circa ein duzend Mini-Tütchen Gummibärchen im Gepäck. Schon im Flugzeug biete ich meinem Sitznachbarn ein Tütchen an. Er nimmt es gerne und der Langstreckenflug wird für uns beide etwas angenehmer. In L.A. besuche ich einen Englisch-Sprachkurs, zwar nur für zwei Tage, oder so, aber immerhin. Dort tausche ich ein Tütchen Gummibärchen gegen japanische Reischips und komme mit dem Tauschpartner ins Gespräch. Er ist überrascht, dass ich Deutsche bin, er hat geschätzt, ich sei Französin, kann aber nicht begründen wieso. Test bestanden, Gottschalk und Haribo haben ihr Versprechen gehalten und Gummibärchen sind tatsächlich ein ziemlich guter Icebreaker und können Menschen zusammenführen.
Dunkelrot
Das Beste kommt immer zum Schluss, denke ich, während meiner gesamten Kindheit. Doch als ich hinter die Bedeutung Gelatine komme, die quasi Hauptbestandteil der herkömmlichen Gummibärchen ist, wird mir eher übel. Das ist ja wohl das Letzte! Wie können Schweineknochen und andere tierische Abfälle so verarbeitet werden, dass sie süß und schmackhaft sind und so zum Liebling vieler Kinder werden? Allein die Idee, aus Gelatine Süßigkeiten herzustellen, ist im Nachhinein grausam, zynisch und völlig abwegig für mich. Gut, dass es heute auch vegane Gummibärchen gibt. Mit reinerem Gewissen nascht es sich eben noch besser.
© Jette Lübeck 2023-01-09