von Jette Lübeck
Ich könnte dir jetzt von dem einen Mal in meinem Leben erzählen, als ich tatsächlich einen Gegenstand gestohlen habe. Aber ich warte lieber bis es sicher verjährt ist…
Stattdessen möchte ich über gestohlene Zeit schreiben. Kürzlich habe ich mal wieder Momo von Michael Ende als Hörbuch gehört und als Erwachsene sehe ich dieses „Kinderbuch“ nochmal aus einer ganz anderen Perspektive. Als Kind hatte ich nicht das Gefühl, dass mir irgendjemand oder irgendetwas Zeit stiehlt. Ich war viel draußen, habe mich mit Freund:innen getroffen, habe gespielt und sogar Schule habe ich nicht als Zeitverschwendung empfunden.
Heute bin ich 28-einhalb und habe das Gefühl, mindestens ein Drittel meines Lebens verschwendet zu haben. Ich habe (zu) viel Zeit mit Dingen verbracht, die ich eigentlich nicht machen wollte. Habe versucht anderer Menschen Erwartungen zu erfüllen und gerecht zu werden. Habe sie deshalb zu meinen Erwartungen an mich selbst gemacht, ohne zu erkennen, dass sie eigentlich nicht meine eigenen sind. Ich kann niemand anderen dafür verantwortlich machen als mich selbst. Ich kann es nur in Zukunft versuchen zu vermeiden. Und Einsicht ist ja immer der erste Schritt zur Besserung.
Ab jetzt verbringe ich mehr Zeit mit Momo, Kassiopeia und mir selbst. Und finde heraus, wie ich mir selbst keine Zeit mehr stehle oder stehlen lasse.
© Jette Lübeck 2023-07-04