von Jette Lübeck
Viele werden sie kennen die berühmte rosarote Brille.
Viele werden sie auch schon getragen haben.
Manche werden sie nur einmal auf- und nie wieder absetzen.
Andere haben sie vielleicht noch nie aufgehabt.
Und wieder andere setzen sie auf und ab und wieder auf und wieder ab.
Einige haben sie zumindest immer bei sich.
Tragen sie vielleicht sogar an einem Band um den Hals.
Andere stecken sie sich ins Haar wie einen Haarreif
Vielleicht haben sie noch nicht verstanden, wie man sie richtig benutzt
Und manche verlegen sie andauernd, weil sie drückt, ihre Bügel zu lang oder zu kurz sind,
oder sie bei ihnen Kopfschmerzen verursacht.
Wenn man sie das erste Mal aufsetzt, wird man nie wieder dieselbe Person sein.
Sie ist wie eine Wesensveränderung.
Wie eine Droge, von der man nicht wusste, dass sie einem gefällt
und die man jetzt vielleicht sogar braucht.
Die rosarote Brille berauscht alle Sinne,
lässt einen nicht mehr klar denken, nicht schlafen, nicht essen.
Man hat das Gefühl, man lebt nur von Luft und Liebe.
Außerhalb jeder Logik oder Vernunft.
Die Schmetterlinge im Bauch lassen einen fliegen.
Man schwebt über allem.
Einige rosarote Brillen verändern sich mit der Zeit.
Die Gläser bekommen Risse, von einem Schlag ins Gesicht oder einem harten Fall von Wolke sieben auf den Boden der Tatsachen, auf dem die Ernüchterung auf einen wartet.
Manche verändern sogar ihre Farbe:
sie werden gelb, wenn sie von Eifersucht vergiftet werden.
Manche werden rot und blind vor Wut.
Und manche einfach durchsichtig, sodass man die Realität sieht. Pur. Scharf. Ungefiltert.
© Jette Lübeck 2023-08-14