von Paulina Junge
Spätestens, wenn sie wieder diesen aufdringlich-herzzerreißenden Greis ausgraben, der in sämtlichen Werbepausen für ein bisschen Weihnachtsbesuch sein tränenreiches Ableben inszeniert, sollte man gucken, wo man bleibt. Erste Was macht ihr denn eigentlich Silvester? werden hier und da betont beiläufig fallen und vom Gegenüber nicht selten kommentarlos liegen gelassen. Man würde nur was Kleines … man würde eher unter sich …
Wo Kleinfamilie und Minivan heilig sind, wird es für große Geselligkeit schnell zu eng. Man muss auf Zweckgemeinschaften ausweichen, auf eingeschworene Kleingartenverbände, exklusive Elterngrüppchen und Sportvereine mit ulkigen Namen, die hauptsächlich von kessen Kegelshirts, exzessiven Stammtischen und kilometerlangen Whatsappverläufen zusammengehalten werden. Eine lauwarme Herzlichkeit, die sich zuverlässig mit einem mehrstöckigen Backbeitrag zum Kuchenbasar absichern lässt – und in langen Schließzeiten umso schneller abkühlt, wenn man nicht zufällig schon in der dritten Generation mittöpfert.
Um also nicht wieder das Raclette-Pfännchen mit den Aerobic-Mädels der Patentante schwingen zu müssen, im Takt zu Andrea Bergs Die Gefühle haben Schweigepflicht, stellt man sich halt mit all seinem Seelenkrempel auf dem Datingmarkt aus, dort, wo man nicht durch großzügige Erdnussflip-Spenden bestechen kann, wo es keine Namensschilder gibt, an denen man sich festklippen und kein Regelwerk, in das man sich einlesen kann. Nur reichlich Schweißperlen und Ungewissheit und peinliche Stille.
Mühsam klöppelt man an weißweinreichen Abenden eine semitransparente Produktbeschreibung der eigenen Persönlichkeit zusammen, mit der man hoffentlich gezielt den ein oder anderen Testsieger der Herzen ködert.
Jemanden, der Kuscheln mag und Kochen und Perserkatzen und koranische Independent-Filme.
Und nach drei ereignislosen Wochen dann nur noch jemanden, der sitzt, passt, wackelt und Lust hat.
© Paulina Junge 2024-08-31