von Philippba
In einem kleinen, alten Kinosaal – ohne Dolby Atmos, Onyx Led oder sonstigem Technik-ChiChi, dafür mit wenig Beinfreiheit, zeigten sie kürzlich einen meiner Lieblingsfilme: „La Boum – Eltern unerwünscht“ mit der zauberhaften Sophie Marceau. Ein Pflichttermin für meine beste Freundin und mich.
Wir freuten uns aufs Mitfiebern mit der 13jährigen Vic, die diverse Wirrungen der Pubertät, ihre erste Liebe samt Liebeskummer, ihre Problemchen mit ihren Eltern und die Hochs und Tiefs einer unzertrennlichen Mädchenfreundschaft mit uns teilen würde. Eine Zeitreise, die uns an unsere ersten Schwärmereien erinnern würde oder an die stundenlangen Telefongespräche übers Festnetz (!), die wir nachmittags führten, obwohl wir den ganzen Vormittag schon in der Schule zusammengepickt waren. Auch wir haben eine lange und wunderbare Mädchenfreundschaft und schon Einiges zusammen erlebt.
Das Kino war voll mit aufgeregten Frauen um die 40. Am Buffet bewaffneten wir uns mit einem Piccolo -es hat durchaus auch Vorteile, wenn man nicht mehr ganz so jugendlich ist. Wir ließen uns auf die abgewetzten, durchgesessenen Plüschsessel plumpsen und alsbald gingen verzückte OHs und HACHs durch den Saal. Das sollte sich durch die ganze Vorstellung ziehen, es wurde viel gelacht und hemmungslos bei der schnulzigen Filmmusik mitgeschmachtet. Dreams are my Reality!
Auch nach Ende des Films sprang keine zu früh auf, wir verharrten alle in kollektiver Nostalgieehrfurcht, bis auch der letzte Ton verklungen und der letzte Buchstabe im Abspann abgelaufen war.
Quelle soirée!
Und doch, bei all der guten Stimmung schwang auch ein bisschen Wehmut mit.
Ja, ich fieberte immer noch mit Vic mit, aber, oh Schreck, als Mutter eines Sohnes in den Startlöchern zur Pubertät, konnte ich plötzlich auch mit den Eltern sympathisieren. Ihre Ängste verstehen, sogar manche ihrer Standpunkte in den lebhaft geschilderten Diskussionen. Bei der Szene, in der Vic‘s Vater sich auf Rollschuhen blamiert, blieb mir das Lachen im Hals stecken, ich fragte mich, wie oft sich mein Kind schon für mich geniert hat und vor allem, wie oft das demnächst passieren wird. Merde!
Mir fielen zum ersten Mal Dinge bewusst auf, die ich noch nie so konkret wahrgenommen hatte: Das viele Rauchen, Kinder im Auto ohne Kindersitz. Wollte ich tatsächlich meinen Lieblings-Wohlfühl-Film nach solchen Sachen beurteilen? Bizarre!
Sogar die Seitensprunggeschichte der Eltern brachte mich diesmal so richtig zum Nachdenken: Auch Eltern haben Gefühle!
Ich hatte wohl im Lauf der Zeit irgendwie die Seite gewechselt.
„Fühlst du Dich alt?“ fragte mich meine Freundin, die mein Grübeln mitbekommen hatte.
„Ein bisschen. Mon dieu!“
Trotz allem liebe ich den Film und werde ihn mir wieder und wieder anschauen. Er vermag es sowieso, alle Generationen zu verzaubern. Und immerhin gibt’s auch noch Vic´s coole Ü80-Urgroßmutter.
Aber da habe ja ich noch ein bisschen Zeit, bis ich mich mit ihr identifizieren muss.
© Philippba 2020-01-21