Irgendwie waren wir vom Hafen nach Mondello, einem Badeort neben Palermo, gelangt. Unsere Unterkunft dort war denkbar einfach, aber nach der langen Anreise wollten wir sowieso erst mal vor allem schlafen! Am nächsten Morgen, es war schon fast Mittag, versammelten wir uns zum Baden am Strand, wo der sportliche Gotti einen Salto aus dem Stand vollführte: Symbol unserer Freude über die Abiturreise. Wie Kinder gaben wir uns dem Strandvergnügen hin.
Nachmittags ging es nach Monreale, wo wir den eindrücklichen Dom mit dem monumentalen Christus als «Weltenherrscher» bestaunten. Im Kreuzgang fotografierte ich eine rote Hibiskusblüte. Dann flüsterten mir meine drei Schulkameradinnen, mit denen ich das Zugabteil von Basel bis Genua geteilt hatte, zu, dass wir am Abend in eine Disco gehen würden. Jemand von uns hatte ein paar jugendliche Einheimische angesprochen, und so quetschten wir uns nachts zu sechst in einen Fiat Topolino. Der Fahrer, etwa Mitte zwanzig, brauste mit durchgedrücktem Gaspedal zum Tanzlokal, aus dem wir erst gegen drei Uhr morgens zurückkehrten. Ich erinnere mich allerdings nur noch an die rasante Fahrt, denn ich war hin- und hergerissen zwischen der Freude über den unerwarteten Ausflug und der Furcht um mein Leben.
Wir besuchten die Tempelstätten von Segesta und Selinunte, wo wir wilde Kaktusfeigen assen und im Platzregen tanzten. Da «unser» Sizilianer darauf bestanden hatte, dass wir auch ein typisch sizilianisches Dorf zu Gesicht bekämen, fuhr unser Bus zu einem hin. Ob wir nun aber Calatafimi oder Caltagirone oder sogar beide Orte sahen: Ich habe es vergessen. Erinnern kann ich mich an ein Dorf oder eine kleine Stadt auf einem Hügel mit eindrücklichen, engen Gässchen und Treppen, auf denen wir mangels Zeit höchstens einige wenige Schritte gingen.
Weiter ging es nach Taormina. Im arg durchhängenden «Ehebett» des Hotelzimmers wachten meine Freundin und ich morgens regelmässig Seite an Seite in der Kuhle auf. Gemeinsam besahen wir die über dem Meer thronende, schon damals sehr touristische, aber schöne Altstadt, assen ein Gelato im nahegelegenen Catania, wo das Speiseeis anscheinend erfunden worden war, lauschten den Erklärungen unseres Italienischlehrers und badeten in der Bucht von Taormina, wo ich an fies versteckte Teerklumpen geriet, die mir das Badekleid ruinierten. Meine Freundinnen hatten ihre Teerflecken wenigstens am Körper, von wo sie sie auf Rat des Bademeisters mit etwas Olivenöl und einiger Mühe zu entfernen vermochten.
Viel zu bald sassen wir wieder im Zug. Am Bahnhof wurden «Arancini» – frittierte Reiskugeln mit Fleisch oder Gemüse – feilgeboten: Eine fette Stärkung für die Reise nach Neapel, die wir unbedingt probieren sollten, hiess es. Zumindest eine von uns musste sich danach jedoch übergeben. Wenig später standen wir auf der Fähre hinüber nach Kalabrien und sahen wehmütig zu, wie unsere eben erst entdeckte «Sischilia» langsam im Dunst verschwand.
© Caroline Isabelle von Sinner 2021-03-27