Le tour des memoires

Valentina Stanger

von Valentina Stanger

Story

Ganz ehrlich: Der erste Bezirk wirkt auf den ersten Blick einfach nur magisch. Als würde man mit jedem vorbeifahrenden Fiaker ein Stückchen weiter in die Vergangenheit rutschen, jedes Mal, wenn man am Stephansdom vorbeischlendert und die wirklich furchtbar aufdringlichen Mozart-Verkäufer fast im Eilschritt abhängen muss. Aber fernab der Kärnter Straße und dem Graben, wo die schillernde Welt der Reichen und Alteingesessenen über dem bunten Schwarm umherwuselnder Touristen thront, liegt eine verborgene Verwegenheit in den engen, zahlreichen Gässchen, die sich wie ein Labyrinth um das Herz der Inneren Stadt schmiegen.

Immer wenn ich dort unterwegs bin, laufe ich Gefahr, mich ein bisschen im Dschungel der Erinnerungen zu verirren, der über die letzten Jahre ganz schön aufgeblüht ist. Dann lasse ich die aufkommenden Gedanken zu, die mich mit Wehmut und Nostalgie versetzen, weil sie auch nach vielen Jahren immer noch eine Spur in meinem Gedächtnis hinterlassen.

Als ich damals in die Johannesgasse einbog, änderte sich damit die Fahrtrichtung meines Lebens – ich erhielt zwar keinen Studienplatz am MUK, aber begegnete stattdessen jemandem, der mir den Schlüssel zu einer viel größeren Welt in die Hand drückte. Es war der Beginn einer langjährigen Leidenschaft für etwas, das mir in diesem Moment und auch heute noch das Leben rettet: der Tanzsport.

Wenn wir weiter zur Bräunerstraße schlendern und einen kurzen Blick zur wohl traditionsreichsten Tanzschule Wiens werfen – wir müssen nicht einmal hineingehen-, dann sehen wir dort vor vier Jahren ein Mädchen, das zum ersten Mal lernt, sich das zu nehmen, was es will. Und auch, wenn es sich anfangs falsch anfühlte, so wehte an diesem späten Abend der herrlich frische Wind der Freiheit in meinen Haaren und für eine kurze Zeit spürte ich, dass im Leben wohl alles möglich war.

Der Anblick des Brunnens am Hohen Markt macht mich immer noch traurig. Viele Male saß ich an seinem Rand und versuchte, die Fröhlichkeit des plätschernden Wassers auf mich zu übertragen, aber es tröstete mich nicht über das ganz eigene Gefühl einer verlorenen Liebe hinweg, mit dem bitteren Beigeschmack von Enttäuschung, der meinen Blick auf die malerisch schönen Häuser noch immer trübt.

Diese und weitere Erinnerungen werden mir immer das Gefühl geben, nach Hause zu kommen, wann immer ich die unsichtbare Grenze zum ersten Bezirk überschreite. Denn auf den belebten Straßen mit den hochherrschaftlichen Häusern und dem Geruch nach frisch geröstetem Kaffee sehe ich stets die Spuren der Schritte, bei denen ich scheitern und wachsen und mein Leben verändern durfte.

© Valentina Stanger 2020-04-03

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