von Martin R
Jakob ist 32 und hat sich vor kurzem von seiner Freundin getrennt. Nicht er hat sich getrennt, sondern sie von ihm und vielmehr noch war es nicht seine Freundin, es war seine Ex-Freundin. Nach der Trennung wollte er sie sich als Backup halten, zum einem für sein Ego zum anderen aufgrund seiner Unfähigkeit Dinge aufzugeben. Als es ihr zu viel wurde, wurde es ihm zu viel und er merkte, dass er sie tatsächlich immer geliebt hat. Er setzte alles auf eine Karte und überraschte sie nach der Arbeit mit einem Strauß Blumen. Doch sie wollte nichts mehr von ihm wissen, ihr Neuer wartete schon daheim auf sie. Es folgten Monate über Monate in vollkommener Lethargie. Ein Tag glich dem anderen und irgendwann wurde es Marius zu viel. Als Jakobs bester Freund wusste er was zu tun war. Er buchte eine Reise nach Nizza. „Du wirst sehen, das Leben ist voller Sonnenschein, und Frankreich ist voller schöner Frauen.“ Jakob fehlte zwar die Lust, aber alles war besser als das eintönige Leben, das er jetzt gerade lebte. Als sie mit dem Nachtzug gegen 8 Uhr morgens den Gare de Nice-Ville erreichten, war der Hunger nach amourösen Abenteuern auch bei Jakob gereift und erstmals seit langer Zeit sah er Licht am französischen Horizont. Beim Gang zum Hotel stellte sich zusätzlich ein anderer Appetit ein und sie beschlossen das Garden Café Nice aufzusuchen, an dem sie vorbeischlenderten. So schön sie auch war, so tollpatschig war sie zu Jakobs Unglück auch. Als die Kellnerin den jungen Männern den Kaffee brachte, verschüttete sie diesen kurzerhand auf dessen T-Shirt. Sie, ihr Name war Julie, entschuldigte sich ungemein herzlich und man merkte ihr an wie sehr es ihr leidtat. Ihr Akzent und ihr unschuldiges Lächeln brachte Jakob insgesamt mehr Freude als Kummer. Es entwickelte sich schließlich ein längeres Gespräch zwischen Julie und Jakob. Endlich fühlte er wieder diese Aufgeregtheit und das Knistern. „Die steht auf dich, das habe ich in ihren Augen gesehen.“ merkte Marius an als Julie die Rechnung holen ging. Doch Jakob hörte ihn nicht, eher schon so manche Glocke läuten. Die Rechnung bekam er aber schneller serviert als ihm lieb war. Marius dagegen bekam ein kleines Kärtchen mit ihrer Nummer zugesteckt. Einer versuchte so gut es ging seinen Kummer, der andere seine Freude zu verbergen. Als sie am Abend schon einiges an Wein und Schnaps intus hatten, traute sich Jakob an das totgeschwiegene Thema heran. Über Gefühle, so hat es Jakob von seinem Vater gelernt, spricht man schließlich erst ab einem Promille. „Spürst du es oder spürst du es nicht?“ Marius spürte es und den nächsten Abend verbrachte Jakob alleine. Er nahm es Marius nicht übel, er hat sogar darauf bestanden, aber natürlich war er traurig. Als er bei Sonnenuntergang durch den Park schlenderte, sah er sie auf einer Parkbank sitzen. Es war ein altes Ehepaar, sie stritten sich fürchterlich. Die Frau machte eine übertriebene Szene aufgrund einer Kleinigkeit, der Mann hatte mit seinem nassen Schirm an ihrem Kleid gestreift. Wutentbrannt ließ sie den Herrn im ausklingenden Regen stehen und stapfte davon. Der Mann war sichtlich frustriert und sah Jakob kopfschüttelnd an. Er zögerte aber keine weitere Sekunde und rannte der Frau hinterher. In weiter Ferne sah er, wie der Mann ihre Hand nahm und sie nach einem Kuss heiter weitergingen. Jakob wusste, dass er nicht jede haben kann, doch, wenn er das nächste Mal eine findet die ihn keine Sekunde zögern lässt, dann wird er es spüren und das machte ihn glücklich.
© Martin R 2023-08-31