Lächelnde Steckdosen

Judith Lahfeld

von Judith Lahfeld

Story
Arrild

„Hej!“ Freudestrahlend laufen mein Bruder und ich durch Dagli‘ Brugsen. Das ist der kleine Touri-Supermarkt am Eingang unseres dänischen Feriendörfchens Arrild Ferieby. Mit Traditionen soll man bekanntlich nicht brechen, also verschlägt es uns direkt nach dem Abwerfen unserer Koffer und der Inspektion unseres diesjährigen Ferienhauses zwischen dänische Supermarktregale, die mit allerlei interessanten Dingen gefüllt sind. Ich liebe es, im Ausland durch Supermärkte zu schlendern, denn dort findet man immer Produkte, die es in Deutschland nicht gibt. Zum Beispiel Lasagne im Quetschie-Format. Ich weiß zwar nicht, warum die Dänen ganze Gerichte in Quetschbeutel pressen, der Weißwein für umgerechnet 12 Euro unterirdisch schmeckt oder die Wurst rot ist. Aber ich bin mir sicher, dass die Marabou-Schokolade (die eigentlich aus Schweden kommt) eine der leckersten Schokoladen der Welt ist, weswegen sie für schlappe 6 Euro pro Tafel in großen Mengen in unserem Einkaufswagen landet. Zwischendurch rufe ich fremden Leuten immer wieder freudig ein „Hej!“ entgegen, denn in Dänemark grüßt man sich noch! Inzwischen sind auch mein Mann und meine Kinder im Supermarkt angekommen und ich beobachte, wie ein älterer dänischer Herr versucht, sich mit meinem zweijährigen Sohn zu unterhalten. Mein Jüngster versteht zwar kein Wort, der Mann aber verabschiedet sich mit einem sanften Blick und einem breiten Lächeln, anstatt sich genervt wie die Deutschen über meine aufgeweckten Kinder aufzuregen. Nachdem wir den Einkauf um Abendessen und dänisches Bier ergänzt haben, stehen wir an der Kasse. Eines der besten Dinge an Dänemark? Man kann alles mit Karte bezahlen! Wieder einmal stellen wir fest, wie sehr wir dieses Land lieben.

Auf dem Parkplatz angekommen strecken wir alle intuitiv die Nasen in die Luft. Dänemark riecht anders! Es riecht nach purer Freude, Glück, einem einzigartigen Lebensgefühl und nach Freiheit. Familie wird hier großgeschrieben, weswegen sich in den Einkaufspassagen ganze Spielplätze, riesige Schachbretter, Schaukeln, Minigolfanlagen, Sandkästen, ein kostenfreier Tretbootverleih und saubere Wickelräume befinden. Es dauert keine zwei Tage und ich swipe mich wieder einmal durch Immobilienseiten, um nach unserem Traumhaus in Dänemark zu suchen. Parallel überlegt mein Mann, wie er seinen Job auch als „Grenzgänger“ ausüben könnte und wie viele Zimmer unser Haus bräuchte, damit wir auch meinen Bruder mitnehmen könnten. Meine Gedanken kreisen wieder. Ich würde meine Eltern sehr vermissen und auch meine Freunde. Wie würde sich ein Leben hier anfühlen? Was wäre anders? Würden die Dänen uns akzeptieren? Würde ich Arbeit finden und es schaffen, die Sprache zu lernen? Und wie läuft es hier eigentlich mit der Schule?

Am letzten Abend unseres Urlaubes stehe ich wie jedes Jahr wehmütig in dem offenen Wohnzimmer unseres wunderschönen Ferienhauses, so als würde ich auf ein Zeichen warten. Dann bleibe ich mit meinem Blick an der typisch dänischen Steckdose hängen. „Was wäre, wenn alles gut wird?“, flüstere ich leise und erwidere das Lächeln der dänischen Steckdose mit einem leisen „Hej.“



© Judith Lahfeld 2025-02-11

Genres
Anthologien
Stimmung
Abenteuerlich, Emotional, Inspirierend