Lachs und Angels‘ Share

Silvia Peiker

von Silvia Peiker

Story

Mit der Northlink Fähre verlassen wir Stromness, sagen wehmütig farewell zu Orkney. Auch die stille Maureen, die wir nur einmal während unseres dreitägigen Aufenthalts in unserem B&B beim Frühstück angetroffen haben, ist mit an Bord. An Deck haben wir einen halbwegs windgeschützten Platz gefunden und wir beobachten die kreischenden Möwen, wie sie auf Futtersuche über die tiefblauen Wellenberge segeln, während die grünen Klippen des Mainlands gemächlich an uns vorüberziehen. Genüsslich schlürfen wir Tee und knabbern an unseren Cookies, die aufs Haus gehen, weil wir an einer Umfrage über die Fährgesellschaft teilgenommen haben.

Bald werden sich unsere Wege trennen und erst jetzt erfahren wir, dass die ältere Engländerin in jungen Jahren in einem Hotel in den österreichischen Bergen gearbeitet hat und von ihrem Arbeitgeber schlecht behandelt worden war. Nun, das erklärt ihre Reserviertheit uns gegenüber. Ich entschuldige mich für das Fehlverhalten meiner Landsleute und hoffe, dass wir einen besseren Eindruck hinterlassen haben.

Wir haben Glück und ich kann noch am Vorabend per Mausklick ein Doppelzimmer in den Highlands reservieren, das unser Reisebudget nicht sprengt. Wir haben im Overscaig House am herrlich einsam gelegenen Loch Shin, dem größten See im County Sutherland, angedockt, mitten in der Einöde. Meilenweit keine Siedlung, nur Heide und Moore. Lediglich eine einzige schmale Straße, die uns weg von der Zivilisation in die Abgeschiedenheit von verfallenen Burgruinen und aufgegebenen Steinhäusern, die einst von croftern bewirtschaftet wurden, und zu den Shin Falls bringt

Im Herbst wandern zigtausende Lachse den See hinauf. Auch Anfang August ist es möglich, umgeben von lästigen gnats, die in bester Blutsaugerlaune um ihre menschliche Beute herumschwirren, bei den Wasserfällen zu beobachten, wie ein Lachs nach dem anderen, manchmal auch zwei im Duett, auf ihrem Weg zu den Laichplätzen unermüdlich aus dem Wasser schnellen und über Flussschnellen springen. Ein spektakuläres Schauspiel!

Unser Landlord hat uns vor den winzigen Stechmücken gewarnt und ich habe mich vorsorglich mit Antimückenlotion eingerieben. Der beste aller Väter hält nichts davon und muss Blutzoll bezahlen, indem er eine äußerst juckende Erinnerung an den salmon leap zum nächsten Ausflugspunkt, der Distillery Balblair, mitnimmt. Das Pagodendach der zweitältesten Brennerei Schottlands ist schon bald in Sichtweite. Dort kann er sich mit dem Kauf eines 28-jährigen Single Malts trösten.

Balblair ist nicht nur bekannt für seinen Whisky, sondern auch als Drehort für den prämierten Film The Angels‘ Share. Der Titel des Dramas ist angelehnt an den Reifeprozess des edlen Gebräus und meint jenen Anteil des Hochprozentigen, der verdunstet, während er in Eichenfässern seine fruchtigen Aromen entwickelt und heranreift.

Von Edderton ziehen wir weiter und folgen dem Whisky Trail nach Dornroch zu den Whisky Cellars.

© Silvia Peiker 2021-02-27

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