von Lea Beschorner
Geplant war, das Lagerfeuer anzuzünden, wenn es dunkel ist. Wir haben Hochsommer und auf diesen Moment hätten wir noch mindestens eine Stunde lang warten müssen. So sitzen wir in der Dämmerung und sehen dem Holz dabei zu, wie es langsam verbrennt.
Das mit dem Babysitting habe ich sonst nur tagsüber gemacht, aber es scheint einen Notfall in der Familie zu geben, also hatte ich mich bereit erklärt, Jonas über Nacht bei mir zu behalten. Seine Augen fingen an zu leuchten, als ich ihm von der Idee mit dem Lagerfeuer erzählt hatte. Er lässt das Feuer nicht aus den Augen und wartet nur auf die Erlaubnis, noch ein neues Stück Holz aufs Feuer werfen zu dürfen. Jonas musste mir hoch und heilig versprechen, seiner Mama nicht zu erzählen, dass er so lange aufbleiben darf. »Indianerehrenwort«, sagte er und damit war es besiegelt. Das entlockte mir ein Lächeln.
Ich schaue in die Flammen und frage mich, warum Lagerfeuer dazu anregen, über Dinge nachzudenken. Wenn ich über die ernsten Fragen des Lebens sprechen müsste, dann jetzt. Und wenn jemand unbedingt ein Foto von mir machen möchte, dann auch jetzt, weil, wow, wie schön sehen Menschen im Licht eines Feuers aus? Jonas hat die nachdenklichsten Augen, die ich je gesehen habe. Egal, was er tut, er sieht immer aus, als würde er träumen. Dabei ist er erst fünf Jahre alt und ich weiß nicht, inwiefern man in dem Alter schon intensiv über Dinge nachdenken kann.
Auf dem Boden breite ich eine karierte Decke aus, die weit genug vom Feuer weg liegt, aber auch nicht so weit, dass wir frieren müssen. Ich bin müde, weil ich wegen meiner Frühschicht schon seit vier Uhr wach bin, aber das sage ich nicht, da der Kleine so einen Spaß hat.
»Soll ich dir mal was erzählen?«, fragt er mich. Jonas schaut hoch in den Himmel und kommt dann auf mich zu.
»Was denn?«, frage ich. Er setzt sich auf meinen Schoß und reibt sich die Augen.
»Mein Papa wohnt jetzt im Himmel«, sagt er. Kurz bin ich ein bisschen fassungslos und kriege keine Antwort heraus. Jonas schaut wieder hoch und dann zu mir. »Meinst du, er kann mich sehen? Mama sagt das. Aber wieso kann ich ihn nicht sehen?«
»Nein, du kannst ihn nicht sehen«, sage ich. »Aber er ist immer da und passt auf dich auf.«
Jonas hebt die Hand und fängt an zu winken. »Hallo, Papa«, sagt er und mir kommen die Tränen.
»Weißt du was?«, frage ich den Kleinen. »Mein Opa wohnt auch seit Kurzem im Himmel.«
»Echt?«
»Ja, echt.«
»Meinst du, er und mein Papa sind Freunde?«
»Bestimmt«, antworte ich. »Beide sitzen da oben und schauen uns zusammen zu.«
»Das ist schön«, sagt Jonas. Ich wische mir eine Träne weg und drücke ihn fest an mich. »Das ist schön«, wiederhole ich leise.
© Lea Beschorner 2022-05-03