von Gabriele Koubek
Wie jedes Jahr fahren wir sofort nach der weihnachtlichen Geschenkeausgabe zum Schifahren in die Berge. Von der Familie wird zu Weihnachten ein groĂer glitzernder mit Naschereien behĂ€ngter Christbaum erwartet. Ich gebe mir viel MĂŒhe den Baum mit bunten Glaskugeln, Lametta und SĂŒĂem fĂŒr Kinder und Erwachsene zu schmĂŒcken. Echte Kerzen mĂŒssen auch hinauf, aber die halten viele Jahre, da es mit Kindern zu gefĂ€hrlich ist sie anzuzĂŒnden. Obendrauf kommt die traditionelle Christbaumspitze. Die heiĂt jetzt final d’arbre, wie ich aus einem amerikanischen Weihnachtsschnulzenfilm gelernt habe.
Am Tag nach der Bescherung geht es ab in den Schiurlaub. Ich werfe noch einen letzten Blick auf den Baum, denn bis wir zurĂŒck sind fallen sicher schon die Nadeln ab. Die Heizung abdrehen geht gar nicht, denn sonst ist der Katze kalt.
WĂ€hrend unseres Urlaubs fĂŒttert meine Nachbarin die Katze und meine Mutter leert den Briefkasten. Schon am nĂ€chsten Morgen kommt meine Mutter nachschauen, ob eh keine Essensreste vom Weihnachtsmahl irgendwo vor sich hingammeln.
Im Vorzimmer findet sie fein verteiltes Lametta. Als sie das Wohnzimmer betritt, traut sie ihren Augen nicht. Der Christbaum liegt quer im Zimmer. Die Kugeln sind bis unter den Tisch gerollt und einige sind zerbrochen. Es sieht aus als hĂ€tte ein Wirbelsturm den Baum gepackt in die Luft gehoben, fest geschĂŒttelt und dann mit roher Gewalt auf den FuĂboden geworfen. Bei meiner Mutter setzt der Fluchtreflex ein. Sie wirft unsere EingangstĂŒre zu und eilt nach Hause.
Kurz darauf kommt die Nachbarin die Katze fĂŒttern. Sie sieht das Chaos und sucht zuerst die Katze. Diese liegt friedlich schlafend mitten auf dem Esstisch neben dem Adventkranz. An ihrem Fell und an den Pfoten haften noch Lametta Reste. Die WindbĂ€ckerei und die Geleeringerln liegen angeknabbert im ganzen Zimmer herum. Einige LikörflĂ€schen wurden gewaltsam vom Stanniol befreit.
Der ĂbeltĂ€ter ist somit entlarvt.
Mit der Katze schimpfen geht nicht, da die ganz offensichtlich geradeihren Schwips ausschlÀft.
Da meine Nachbarin Schmutz und Unordnung ĂŒberhaupt nicht aushĂ€lt, beginnt sie sofort mit dem AufrĂ€umen. Nachdem der Baum wieder steht und die ganz gebliebenen Kugeln wieder oben hĂ€ngen, fehlt nur mehr die Christbaumspitze. Die liegt in tausend Scherben hinter dem Ofen. Kurz entschlossen holte sie von ihr einen Weihnachtsengel aus Stroh und setzt ihn auf die Spitze.
Am Nachmittag hat sich meine Mutter von dem Schrecken erholt und will aufrĂ€umen gehen. Als sie unser Wohnzimmer betritt, ist ihre Verwirrung perfekt. Zuerst zweifelt sie an ihrem Sehvermögen. Doch da kommt auch schon die Nachbarin und bei einem Kaffee lachen sie ĂŒber die ĂŒbermĂŒtige Katze. Als wir nach Hause kommen fĂ€llt den Kindern nur der Strohengel auf. Sie finden ihn schöner als die alte Spitze und wollen ihn behalten.
Die Katze hat sich bis heute nicht fĂŒr dieses Chaos entschuldigt.
© Gabriele Koubek 2020-12-06