Lang ist`s her – die DDR gibt es nicht mehr

agnes thinschmidt

von agnes thinschmidt

Story

In meinem Bericht “Verlorene Heimat” hatte ich das Schicksal bereits beschrieben. Mein Mann wurde mit seinen 6 Geschwistern, davon das Jüngste erst 2 Jahre alt, im Jahre 1946 von der Slowakei – Zips – vertrieben. Er wurde mit seiner Familie mittels Viehwaggon etc. in die DDR “verschickt”. Seine Tante, die Schwester der Mutter, kam damals nach Bayern.

Mein Mann durfte 1957 seinen Vater in Wien besuchen. Dieser war kriegsbedingt in Wien stationiert und blieb auch nach dem Kriegsende in Wien. Er hat seine Frau und seine 6 Kinder nie mehr gesehen. Damals war eine Reise in die DDR nicht so leicht. Der Vater meines Mannes wurde sehr krank, daher durfte mein Mann in Wien bleiben.

Das erste Mal waren wir im Jahre 1975 in der DDR, um eben seine Mutter und Geschwister zu besuchen.

Zum 2. Mal dann 1978. Man musste damals Verwandte angeben, wo man wohnen konnte. Pro Tag und “Nase” kassierten sie von uns, um in Ostmark umzutauschen. Wir haben erlebt, wie die Leute, falls es einmal z.B. Bananen oder Jeans etc. gegeben hat, Schlangen gestanden sind vor den Geschäften. Wir wohnten bei der Mutter meines Mannes, die ein Zimmer bei ihrer Tochter in deren Haus hatte.

Von dort machten wir Ausflüge, z.B. nach Rostock, zum Hafen und in den Zoo, nach Ostberlin und auch die Ostsee haben wir erlebt. Eigenartiges hatte sich zugetragen, z.B. knurrte uns einmal der Magen, wir wollten essen gehen in ein Gasthaus. Es war kein einziger Gast drinnen, 3 Angestellte plaudernd hinter der Theke, die uns überhaupt nicht registrierten. Nach einer ¾ Stunde verließen wir das Lokal. Oder wir besuchten einen Freund meines Mannes von früher. Den Bahnhof, wo wir ausstiegen, weiß ich nicht mehr. Dort nahmen wir uns ein Taxi. Um Punkt 12,00 Uhr meinte der Chauffeur, er habe jetzt Mittagspause, er fährt in einer Stunde wieder weiter. Also stiegen wir aus und gingen zu Fuß samt Gepäck – wie lange kann ich nicht mehr sagen – zu dem Freund meines Mannes.

Auch statteten wir in Kietz seiner Schwester einen Besuch ab. Sie hatte drei Kinder und der Sohn seines Bruders war auch gerade hier. In der Nähe war ein Fluss, wo die Kinder allesamt badeten.

Eine Schrecksekunde!

Wir saßen am Rand und schauten ihnen zu. Auf einmal ragte nur eine Hand aus dem Fluss, sonst nichts. Mein Mann sprang sofort ins Wasser und zog den Rest, es war der Sohn seines Bruders, heraus. Hätte er das nicht bemerkt, würde es Thoralf heute nicht mehr geben. Auch erlebten wir seine Mutter einmal in Bayern, als sie ihre Schwester besuchen durfte. Wir fuhren natürlich auch hin, um sich mit ihr zu treffen. Tagelang traute sie sich nicht laut zu sprechen, sie wisperte nur, weil sie Angst hatte, es könnten “Wanzen” in der Wohnung versteckt sein. Auch durften sie z.B. in der DDR keine Messe besuchen. Heimlich traf man sich im Untergeschoss einer Kirche und hielt irgendwie eine Andacht. Damals für mich unvorstellbar, dort zu leben, überall traf man Soldaten an. Trotzdem ein bereicherndes Erlebnis, wir fuhren traurig wieder nach Wien zurück.

© agnes thinschmidt 2021-02-18

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