Langos, Zebrascheiße und Rosmarin

Ulli Jaksch

von Ulli Jaksch

Story

Mein persönliches dreitägiges Gehuste im Herbst kenne ich gut und weiß damit umzugehen. Ich bleibe einfach daheim und pflege mich. Eine Woche lang bin ich danach gesund, dann kommt ein Schnupfen. So einer mit tagelangem Niesen, mit abwechselnd verstopfter und heftig rinnender Nase. Dem Himmel sei Dank, das ist gewiss nicht Corona. Sagt, hört, liest man. Ich bleibe daheim und wärme mich. Dann verliere ich den Geruchsinn und den Geschmacksinn, und zwar komplett. Eben doch Corona. Ich bleibe daheim und fürchte mich.

Mir kommt es so vor, als sei ich völlig isoliert in einer leeren Blase, ohne zu wissen, ob und wann das zurückkommt. Studie um Studie ziehe ich mir rein. Da lese ich von Menschen, die nach sechs Monaten noch immer nichts riechen und schmecken. Auch davon, dass die Riechzellen selbst und deren Verbindung zum Gehirn nicht beschädigt sind, sondern sogenannte Stützzellen. Das tröstet mich kurzfristig ein wenig.

Essen macht kaum Spaß. Es gelingt mir jedoch leichter, den Geschmack aus der Erinnerung zu faken. Da gibt es ja noch Konsistenzen zu genießen und die Basisnoten, die nicht vom Geruchssinn abhängen: Süß, vor allem, und umami retten mich, sauer salzig und bitter auch. Salamibrot und Keksi mit Kakao steigen zu Favoriten auf. Doch das sei hier auch erwähnt. Wenn du Rotwein nur in der Wirkung spürst, jedoch nicht schmeckst, hast du ein Problem.

Ohne Geruch zu sein, trifft mich bedeutend mehr. Ich bin ein Nasentierchen, das sich als Kind rügend von der Mama anhören musste: „So halt‘ dir doch nicht ständig alles unter die Nase“. Genau das mache ich jetzt. Riechtherapie nämlich. Die starken Reize, auf die ich baue: Zimt, Essig, Kaffee, Lavendel. Absolutes Nichts!

Ich übe mich ganz bewusst in Einbildung, als ich lese, der Geruchsinn käme schrittweise zurück. Manchmal meine ich, es sei abends besser als morgens und dann halt für ein paar wenige inhalierende Atemzüge lang. Aber immerhin! Begeistert bin ich, als ich „Schärfe“ erschnüffeln kann in einem ganz speziellen Apfelstrudelgewürz.

Nichts zu riechen und zu schmecken ist sehr übel. Nicht viel noch ist zu dieser Zeit über diese Symptome bekannt. Gibt ja weitaus Schlimmeres zu berichten. Doch es ist schlimm genug. Es fehlen dir nicht bloß Sinneseindrücke. Es fehlt ein Stück von dir, ein Stück deiner Welt, deines Lebens. Du riechst dich selber nicht und deinen Partner auch nicht. Du hast keine Ahnung von den Räumen, die du betrittst. Ja, Räume riechen und wenn du es nicht mitbekommst, kannst du dich nicht einordnen. Wie außerdem sollst du jemals wieder kochen können?

Nachdem ich wieder raus darf, gehe ich in den Zoo Schönbrunn. Wie immer habe ich den Kopf hocherhoben, die Sinne wach, spähend, neuerdings immer die Nüstern gebläht und witternd. Und dort, urplötzlich, weht etwas heran, das es gibt in der Welt. Etwas, das mich über alle Maßen glücklich macht. Eine Ahnung von: Nun lies noch einmal den Titel.

© Ulli Jaksch 2021-01-05