Behäbig sprießt der Schnittlauch im Hochbeet. Die dünnen Halme bahnen sich allmählich den Weg ins Licht, hinein in die Freiheit. Daneben zersetzt der Rotstich von den an die Oberfläche drückenden Radieschen das Gemisch aus dunkler Erde und grünen Gewächsen. Die Zeit lässt es zu, sich den kleinen Dingen des Lebens zu widmen. Um die Kartoffeln zu holen, muss ich wohl oder übel stehenbleiben, um das neue Leben zu schätzen.
Schwerfällig wuchte ich meinen Körper über ein ungeahntes Hindernis, welches sich vor den Pflanzerln hervortut. Sie gartelt. Mit einer ungewohnten Präzision topft sie unentwegt um. Alle Keimlinge in unserem grünen Heim kennen die unzähligen Töpfe schon auswendig. Mal dort rein, der braucht einen größeren Behälter, die da geht bald ein, das braucht mehr Licht. Sie ist in ihrem Metier, ich betrete ihr Terrain.
Zwischen Freundin und Hochbeet bleibt noch ein kleiner Blick in Richtung Stellage. Wie könnte es anders sein, ist auch dieses hölzerne Provisorium vollgepackt mit Grün. Unten sticht der Kaktus ins Auge, darüber die frisch ausgewilderte Petersilie und ober thront der Rosmarin. Einzelne Kräuter finden sich in meiner linken Hand wieder, das Stachelgewächs bleibt unberührt.
Nach einem weiteren, mühsamen Schritt bin ich am Ziel. In der zweiten Lade gibt es so ein Körberl. Da ist ein graues Geschirrtuch drauf, schützt die Erdäpfel vor der Sonne. Die schrumpeligen Genossen haben auch schon bessere Tage erlebt, etliche Augen starren mir geschwollen in die rechte Hand. Nun in beiden Pranken bewaffnet trete ich die Heimreise an.
Kleine Tippelschritte am Boden, ich möchte sie nicht bei ihrer Pflanzen-Hege stören. Dabei krache ich beinahe mit der Zwergkirsche zusammen, der ich im letzten Moment ausweichen kann. Aber aufpassen, ein brummender Segler findet den Beinahe-Crash nicht so prickelnd. Aus Angst um seine Hauptnahrungsquelle ergreift er die Initiative. Mit schnellen Bewegungen nähert er sich mir, doch meine Ellbogen können ihn abwehren. Mit einem Remis nach Punkten zieht es mich weiter in Richtung Gartentisch, der zweckentfremdet am Balkon steht.
Einem Jongleur gleich winde ich in einem Balanceakt die Kräuter in die rechte Hand zu den Erdäpfeln. Zurückbleiben vereinzelte grüne Sprenkel am warmen Boden. Kollateralschaden. Dafür habe ich eine Hand frei, kann mich um das Außengeschirr kümmern. Die Tasse, die vom Frühstück eine ordentliche Kaffeekruste ihr Eigen nennt, soll mich begleiten.
Schwer bepackt geht die Reise weiter. Schwerfällig sichte ich eine Schneise zwischen Tisch und Wand. Gewohnt unangebracht steht jedoch der dazugehörige Sessel im Weg. Mit einer grazilen Fußbewegung wird dieses Problem aus der Welt geschafft. Unten kudern die Nachbarn, ich bin bald wieder zurück.
Die wichtigsten Checkpoints liegen hinter mir, die Balkontür ist in Sicht. Nebenbei haucht mir Mick Jagger langsam aber stetig leise ins Ohr, dass ich nicht immer alles bekomme, was ich will. Er liegt falsch.
© Thomas Schützenhöfer 2020-04-10