Lass die Möwe nochmals fliegen

Petra Stoppacher

von Petra Stoppacher

Story

Viele Sommer meiner Kindheit waren von Italienurlauben mit Familie und Freunden geprägt und erhellt.

Wonach andere am Pool zuhause lechzen – Spaß haben, sich erfrischen und Sonnenschein, mehr als alles andere – genoss ich lieber direkt am tiefblauen Meer beim Wohnwagenurlaub. Verliebt in das Meer, welches über meine Sorgen bügelte und diese ganz nichtig machte; Jahr für Jahr. Schnorcheln hat mir mein Papa beigebracht, und das war dann auch mein Lieblingshobby, weil es eben wie ein unglaublicher Traum war, unterzutauchen und dort eine andere Welt vorzufinden. Wenn mich auch das Dunkel am meisten verlockte, war ich in den zwei Wochen Meerurlaub jährlich auch schon mit Resten von Salz auf meiner Haut sehr zufrieden und glücklich, sodass diese Tage und Nächte meiner Kindheit alles in allem zu meinen glücklichsten zählten.

Meine Freundin Nadin kam in zwei Sommern mit in den Urlaub, da meine Eltern in der Hinsicht großartige „Sommerpflegeeltern“ waren und sie auch ein Fan von allerlei Fröhlichkeit, wie sie bei uns nun einmal gang und gäbe war.

So viel Leichtigkeit, noch stärker empfunden mit einer lieben Weggefährtin, regt an. Nadin hatte außerdem so ein Auge für viele Kleinigkeiten, die ich bisher als selbstverständlich wahrgenommen hatte und ließ mir dennoch auch meine Ruhe, wenn mir danach war. Wenn ich döste, stellte ich mir gerne vor, eine der Möwen zu sein, die abwartend ihre Runden über das weite Blau zogen; um Fische, die zu nah an der Oberfläche schwammen, zu erspähen.

Beides ist und bleibt für mich ein Wunder: Fliegen und Wasser… beides lockte und verführte mit seinem großartigen Geheimnis… dass man es doch nicht fassen konnte.

„Du bist eine rebellische Möwe“, hieß mich „meine“ Nadin in ihrer Art, die keine Zweifel ließ. Nadin, die sich gut in meine damals schon noch sehr kindliche Gedankenwelt versetzen konnte und zugleich ihre eigenen Gedanken ebenso gerne darlegte, hatte es immerhin im gemeinsamen Schulalltag schon gut beobachten können und hatte daher wohl Recht auf eine solche Meinungsäußerung. Manchmal gab das Streitpunkte, auch wenn wir einander im Kern unserer unterschiedlichen Wesen akzeptierten und respektierten. Bezüglich dem Möwendasein willigte ich aber ein: War ich gerne, wenn sie sich das so vorstellen wollte.

Tja, und Rückfälle ins Möwendasein gibt es zuhauf; spätpubertäre Auswüchse in meinem Verhalten sind immer noch Brauch, wenn der Tag lang ist. Ist ja eh witzig, für mich wie für Außenstehende. Hart ist es dennoch oft, einen so schrillen Charakter zu mimen. Aber wenn man sich wiederum ganz damit identifiziert, ist es durchaus möglich, diese Rolle einzunehmen. Der Flug der Möwen hält trotzig den negativen Schwingungen stand; damit wollte ich landen. Wie die Möwen am Meer im Sturzflug herunterschnellen, wenn nötig, um den erspähen Fisch zu schnappen. Rebellion kann so schön sein und in der Natur hat sie ihren Platz, auch wenn er nicht gleich sichtbar ist und erst erkämpft werden muss.

© Petra Stoppacher 2020-01-10

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