von Christa Arnet
„Eins, zwei, drei – rechts vor, Seit‘, Schluss, links vor, Seit‘, Schluss, Drehung, Schwung“ … und schon verheddern sich vier Füße ineinander. Oh weh! Walzer tanzen ist schwieriger als gedacht. Zwei Herzen im Dreivierteltakt – das kriegen wir gerade noch hin, aber die Beine tun sich einfach viel zu schwer.
Gut, dass die Wiener Tanzschulen Schnellkurse im Walzerschritt anbieten. Wir haben nämlich Großes vor: In zwei Tagen wollen wir am traditionellen Ball der Wiener Philharmoniker in den prächtigen Räumen des Musikvereins das (Walzer)-Tanzbein schwingen. Wie an vielen Wiener Bällen sind hier auch Touristen willkommen. Mit dem nötigen Kleingeld, natürlich. Denn der Kauf einer Ballkarte ist bloss der Anfang. Genauso so wichtig wie hereinzukommen, ist dazu zu gehören. Oder zumindest so zu tun. Und dazu ist die richtige Kleidung nötig, im Klartext ein „bodenlanges Abendkleid“ für die Dame und ein „Frack mit Dekorationen (sprich Orden), ein Smoking oder eine Uniform“ für den Herrn. Die Nobelgeschäfte an der Kärntnerstrasse veranschaulichen, was gemeint ist. In den Schaufenstern glitzern Pailletten, schimmern Samt und Seide, bauscht sich zauberhafter Taft. Auf den Preisschildern sind winzig kleine vierstellige Zahlen zu erkennen. Zum Glück für die Touristen gibt es aber auch den Kostümverleih, wo mehr als 100 000 Gewänder zu erschwinglichen Preisen zu mieten sind.
Einmal eingekleidet, konzentrieren wir uns auf das nächste Problem. Wie benimmt man sich an einem solchen Anlass überhaupt? Muss die Dame warten, bis der Herr sie zum Tanz auffordert? Aber sicher! Verbeugt er sich und sagt „küß‘ die Hand gnä Frau?“ Nein, nur verbeugen und vorstellen soll er sich. Das Küssen kommt später, wenn überhaupt. Zunächst hat er sich im Tanzen zu bewähren. Und das ist am Ball selber leider ziemlich anders als im Tanzkurs. Der Walzertakt ist wesentlich schneller, der Platz auf der Tanzfläche erweist sich als viel knapper. „Rechts vor, Seit‘, Schluss“ und schon hakt sich ein Absatz in die Wade, eine Faust prallt in den Nacken, ein Orden fliegt um die Nase.
Wir fliehen in die Würstl-Bar und beschränken uns aufs Zuschauen. Was da alles durch die Räume wirbelt, wippt, stöckelt, schwingt und schwitzt: Die Damen wie Prinzessinnen mit abgrundtiefen Dekolletés, üppigem Schmuck, kostbaren Roben, Traumfrisuren und Filmstar-Teints, eine schöner als die andere. Wie machen die das nur? Und die Herren mit ihrer vollendeten Eleganz und Galanterie müssen lauter Fürsten und Generäle sein. Ach Wien, nur du allein, kannst so wunderbar nostalgisch sein!
Am nächsten Morgen folgt der Katerbummel durch den Stadtpark, wo die Walzerkönige und Komponisten Franz Lehar, Franz Schubert, Robert Stolz und Anton Bruckner in Stein und Bronze gebannt von ihren Sockeln heruntergrüssen. Beim bombastischen Torbogen mit dem golden glänzenden Johann Strauss hören wir es deutlich durch die Äste rauschen: „An der schönen blauen Donau….“
Bild Ahmed Odeh
© Christa Arnet 2021-03-05