Laufen auf den ersten Blick

Oguz Ipek

von Oguz Ipek

Story

Es war irgendwann 2013. Caro, eine ehemalige Schulfreundin, hatte auf Facebook etwas gepostet. Ich gab einen spaßigen Kommentar ab. Einige andere auch. Eine davon war Susanne. Über die gegenseitigen Kommentare entstand zwischen mir, Caro und Susanne eine kleine, aber sehr amüsante Unterhaltung. Susannes sehr sympathische Ausstrahlung auf ihrem Profilbild bestätigte sich auch in ihrer Kommunikation. Wenig später verabschiedete ich mich mit den Worten, „Ich lasse euch Mädels mal alleine und gehe etwas joggen.“. Susanne reagiere darauf und wollte wissen, wo genau ich so laufe. Auch, dass wir doch mal gemeinsam laufen könnten. „Oh, da kann ich was protzen.“, dachte ich. Was sollte sie auch schon laufen können? Alles in allem wäre es gut für mein Selbstbewusstsein.

Keine Woche später trafen wir uns zum Blindrun. Es war ja unsere erste persönliche Begegnung. In Natur sah sie dann tatsächlich noch sympathischer aus. Auffallend war ihr sehr aufrechter Gang. Mein erster Blick sagte, dass sie eine Gelegenheitsläuferin sein musste. So der Typ Frau, die nach Ende aller Hausarbeiten noch ein bisschen an die frische Luft geht und sich dabei etwas fit halten möchte. Sie war auch schon wie meine Wenigkeit über 40. Wir trappelten auch sofort los und nach etwas über drei Kilometern standen wieder am Startpunkt. Das war immer so mein Lauflimit gewesen. Ich war natürlich aus der Puste. Susanne nicht so sehr. Ich tröstete mich selbst damit, dass sie ja vermutlich nicht mal meine Hälfte wog und dass es damit natürlich viel einfacher sein musste. Susanne fragte, „Wiederholen wir das? Dann laufen wir aber mal meine Runde.“. „Hah“, dachte ich, „die will es aber wissen.“. „Klar. Von mir aus auch gleich jetzt.“, prahlte ich noch ein wenig.

Einige Tage später trafen wir uns wieder und das hinter diesem doch sehr sympathischen Lächeln versteckte Gesicht sollte seine wahre Natur zeigen. Wir liefen auf einer anderen Strecke los und es hörte und hörte einfach nicht auf. Doch ich hätte mir nicht die Peinlichkeit geben können aufzugeben. Gefühlt hatte ich mehr als einmal die Welt umrundet, als wir dann wieder am Parkplatz ankamen. „Was war das den jetzt?“, schnaufte ich luftschnappend. „Nicht mal sechs Kilometer. Mehr nicht!“, sagte Susanne. „Und? Noch Lust auf ein nächstes Mal?“, fügte sie wenig später grinsend hinzu. Dabei atmete sie so ruhig, wie ich sonst im Schlaf. Aber wieso lief sie so leichtfüßig? Als würde sie mal schnell die Brötchen beim Bäcker um die Ecke holen. Das Geheimnis musste sie mir dann verraten. Susanne lief fast täglich ihre 10–15 Kilometer. Je nach Gemütszustand mal mehr, mal etwas weniger. Mal abends, mal mit dem ersten Sonnenschein. Mal schneller, mal etwas gemütlicher. Und sie tat es mit so einer Herzlichkeit, dass sie mich in wenigen Monaten auch auf die 10-Kilometer-Strecke hochzog und ich am Ende 20 Kilo weniger wog. Danke, liebe Susanne!

© Oguz Ipek 2021-03-19

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