LAURA

Jasmin Darr

von Jasmin Darr

Story

Sie schaute aus dem Fenster auf ein Meer aus Wolken. In allen Formen und in unterschiedlichen Grau- und Weißtönen schmückten sie den Himmel. Sie sahen aus wie Zuckerwatte. Nur wenn man durch die durchflog sah man, dass sie lediglich aus Nebel bestanden. Je länger sie flog, desto schwerer wurde ihr ums Herz. Immerhin verbrachte sie gerade eineinhalb Jahre in Neuseeland, hatte dort neue Freunde und eine neue Liebe und zu sich selbst gefunden, wie in zwanzig Jahren Berlin nicht. Sie freute sich auf ihre Geschwister und auf ihre Eltern. Ihren Vater würde sie in Rom treffen. Doch erstmal war ihr Ziel eine Fahrt mit der sibirischen Eisenbahn quer durch Russland. Ob die paar Worte russisch reichten, die sie mit Babbel gelernt hatte? Manchmal war sie sauer auf ihre Mutter, dass sie als Kind nicht einfach weißrussisch mit ihr sprach. Ohnehin war ihre Mutter in ihrer Kindheit und frühen Jugend nur mit großen Abständen in Berlin. Denn auch sie hatte die Liebe gefunden. Jetzt, wo Laura Jim kennengelernt hat, versteht sie sogar ein bisschen, wegen welchem Gefühl ihre Mutter womöglich weggezogen ist. Sie fragte sich, ob das Gefühl stärker sei, als Mutterliebe zu einem Kind? Sie würde es eines Tages herausfinden, war sie sich sicher. In Berlin freute sie sich außerdem vertraute Gesichter wiederzusehen. Mimi und sie telefonierten regelmäßig während ihrer Zeit in Neuseeland, aber ob sie sich auch in Berlin noch genauso gut verstehen würden wie früher? Immerhin hatte Laura jetzt einen ganz anderen Lebensstil als damals. Partys, ungezügelter Konsum, dramatische Liebschaften waren jetzt nicht mehr ihr Fokus. Sie entdeckte die Welt und das Leben abseits von Rausch. Sie lebte die Klarheit und die Klarheit lebte in ihr. Eigentlich war sie sich schon sicher, dass Mimi und sie sich immer noch genauso lieben würden wie früher. Immerhin waren sie beste Freundinnen seit dem Kindesalter. Obwohl sie Neuseeland unsagbar vermissen würden, freute sie sich auf Berlin. Ihre Gedanken machten sie müde. Sie schlief ein und wachte erst wieder auf, als das Flugzeug schlagartig den Boden berührte. Sie schaltete ihren Flugmodus aus und starrte auf ihr Handy, während alle anderen für den Piloten klatschten. Vorne im Cockpit bekam er das doch ohnehin nicht mit, dachte sie sich. Eine Nachricht leuchtete auf ihrem Smartphone-Bildschirm auf. Laura begann zu lächeln und vor Freude weinte sie sogar eine kleine Träne. Die Nachricht war von Mimi. “Aaaaaaaaahhhhhhh du bist bald wieder hiiiiieeer bei mir. Omg. Ich kann es nicht erwarten. Pass auf dich auf und komm gut wieder in Berlin an. Wir warten auf dich.“

© Jasmin Darr 2022-08-31