Lauter!

Musenzeit

von Musenzeit

Story

Bücherreihen. So viele Welten, in denen die Gedanken reisen. Fluchten, Rettungsanker, Hoffnungsflaggen und Schutzräume.

Manche sind aus Zeiten, als außerhalb die Stimmen so laut waren, dass die Bettdecke nicht ausreichte. Wenn im Getöse inmitten der Großen vergessen wurde, dass es da Kleine gab. Dass es Schutz braucht, eine Umarmung, Worte wie „bin da, alles ok“. Kalt wird es allein, auch unter dicken Decken. Die Taschenlampe leuchtete das Buch aus, das bessere Welten versprach. Das kleine Herz pochte so laut und schnell gegen die schmalen Rippen. Irgendwann wärmte der Atem, der sich durch den Körper arbeitete. Langsam musste er es machen, ein Hauch nach dem anderen füllte die Zellen. Anstrengend. Der Bauch fest eingepackt.

Im Bauchmuskeltraining ganz vorne mit dabei. Gut war das für den Sport. Weitermachen, eine Drehung geht noch. Pobacken fest zusammenkneifen im Training, Picks und Klapse vom Ballettlehrer. Die Präzision vor dem Spiegel üben, lächeln, strahlen.

Weitermachen, zum Training. Auch dann, nachdem ein Messer aus wirrer Verzweiflung an einen Körper ging, nachdem Polizei und Krankenwagen anrückten. „Warum hast du so laut geschrien? Was denken die Nachbarn!“ Warum nur schreien, wenn man so was sieht? Der kindliche Blick blieb gesenkt bei der Befragung durch die Polizisten. Sie glaubten die geschönte Version, die das Mädchen auf Anweisung erzählen sollte, wollten sicherlich selbst die heile Welt sehen, die da nicht war.

***

„Ich grolle nicht, und wenn das Herz auch bricht.“ Das alte Klavier hatte Elfenbeintasten.

Leise, nicht noch mehr Ärger machen. Still, fleißig sein. Denken.

***

“Ich brauche eine Pause.” – “Klar, natürlich.” Er bräuchte seine Freiheit. Die, mit der anderen ins Kino zu gehen, die ihn gleich ran ließ. Küsse unterm Regenschirm, das war ihm zu wenig für die erste Woche.

– Der erste Freund.

Die Küsse und Zärtlichkeiten, die hoch schweben und so tief fallen ließen. –

“Wenn du schwanger wirst, mach ich erst mal Schluss.“ An einem warmen Sommertag lag sein Arm dabei schwer auf ihrer Schulter.

– Der, den sie mal heiraten wollte.

Der mit den vielen Briefen, die er über sich selbst schrieb. Alle würden sie später brennen, diese Briefe. –

„Das hat keinen Zopf mit uns“. Mit verschränkten Armen lag er nach den ausgetauschten Zärtlichkeiten auf seinem Bett und starrte neben ihr in die Luft. Sein Cello ist auch da, in dem kleinen Raum. Es war der Tag vor ihrer Gesangsprüfung.

– Der Mann, dem sie um die Welt folgte.

Ihr Schmerz ging in die Töne, es gefiel den Prüfern. So authentisch sei es gewesen, lobten sie. Sie lächelte. Das hatte sie gut gelernt. –

Es fällt niemandem auf, am wenigsten ihr selbst, wie sie verstummte.

***

“Ich möchte mich entfalten.“ –

Ja, ich höre dich.

“Du bist schön und wunderbar. Wie du bist”

Ach… du tust mir gut…

Ich hab dich so lieb!

***

„Ihr saht und fühltet es nicht, das sanft Bewegte. Hörtet nicht auf das Spiel, das Tönen der Liebe, der Zärtlichkeit. Das, was geschenkt werden wollte.“

LAUTER!

© Musenzeit 2022-01-06

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