von Jonathan Lieb
Das weltliche Leiden, ist es und wird es ewiglich sein. Die Kunst liegt darin, mit ihm klarzukommen. Zu bezwingen das, was einen unten hält, zu besiegen jene Gespenster, die einem das Gefühl geben, wertlos zu sein, einem zuwispern vom Ableben, das Aufgeben so lukrativ doch wäre, wo der Schmerz doch so immens, sowohl der der Vergangenheit, der der Gegenwart als auch der der Zukunft.
Aber wie fängt man an, jene Kunst zu beherrschen? Weswegen müssen wir alle leiden? Wozu das Ganze, wenn letztlich man wird eh eingehen?
Töricht. Deine Denkweise von vornherein falsch, denn so magst nimmer werden ein Wesen, das empfinden kann Glückseligkeit, nimmer werden ein Wesen, das zu lieben lernt die unterschiedlichen Facetten des Lebens. Bist gebunden an Kummer, der du dich selbst hast blind werden lassen vor Zorn auf die unfaire Welt. Aber so ist es nun mal. Rage, Wut, Furor, Trauer, Enttäuschung, Trübsinn, nichts davon wird dich weiterbringen. Deine Gefühle, geprägt von Unverstand, sie halten dich auf.
Das Leid, ist es so selbstverständlich wie die Urleere selbst. Solange Leben mag existieren, solange wird auch Leid sein. Die Lösung aber ist nicht die Ausrottung allen Lebens. Die Lösung ist es, sich mit dem Leid zu arrangieren. Die Oberhand zu gewinnen darüber. Herr seiner eigenen Existenz zu werden.
Lebe. Tu es für dich, und nicht für sonst ein Wesen. Finde Sinn. Finde Glückseligkeit, das Gegenteil vom Leid. Zeig dem grausamen Universum, dass es machtlos dir gegenüber ist. Beweise deine Souveränität. Belege deine Stärke, die Realität nach deinen Wünschen zu formen.
Mein Blick starr, gegen den Spiegel gerichtet. Sehe ich Schemen aus Schatten, tänzeln sie umher in meinen Augenwinkeln. Meine Reflexion mich anschaut, und schaue ich zurück. Menschlichkeit meine Hülle füllt, Göttlichkeit nun fern, die sie ausmacht ein Gottwesen, Menschlichkeit jedoch die Essenz eines Gottes ist. Ich bin mir bewusst um das Leid, doch vermag ich es zu formen.
Ente. Ich glaube, ich verstehe dich endlich. Ich verstehe, weswegen du gegangen bist. Du wolltest, dass ich wachse, warst immerzu da, verborgen im Hintergrund, hast aufgepasst auf mich. Doch nun soll ich alleine stehen, gänzlich auf eigenen Beinen.
So soll ich leben in Leid, leben in Glückseligkeit, ich werde sein, um zu trotzen, es zumindest versuchen. Ich werde leben.
© Jonathan Lieb 2024-05-09