Leben aus der Dose

Thomas Eller

von Thomas Eller

Story

So nun ist die letzte Brücke abgebrochen. Mit der Kündigung des Handytarifes wurde ein weiterer Schnitt meines Abbruchs zur digitalen Welt vollzogen. Begonnen hat dieser mit dem Schreiben an A1, dass ich sie und ihren Festnetztarif samt Internet nicht mehr benötige. Dem folgte kurz darauf die Kündigung der ORF-Gebühren. Soll er ruhig kommen, der Typ von der GIS. Er wird vor verschlossener Tür stehen. Nicht etwa, weil ich regungs- und atemlos hinter dieser verharren werde und hoffe, dass die aufgrund seiner Anwesenheit gebildete und nun der Schwerkraft folgende Angstschweißperle bei ihrem Aufschlag auf dem Fußboden kein allzu lautes Geräusch von sich gibt. Nein, er wird vor verschlossener Tür stehen, weil ich nicht mehr da sein werde. Ich werde auf Reisen sein und er und alle anderen können mich mal.

Begonnen hat alles mit dem Blog eines Aussteigers. Eines Abends nach einer Zechtour mit meinen Freunden bin ich, auf ein Taxi wartend, am Handy dem Typ gefolgt und hab mich für seine Abenteuer zu interessieren begonnen. Er bloggte über das Kennenlernen neuer Menschen, seinen Abenteuern und Erlebnissen. Er schrieb vom wahren Leben. Und ich? Ich folgte seinem Leben auf 5,5″ mit meinem LG und arbeitete, ging mit meinen Freunden aus, strampelte mich am Abend im Fitnessstudio am Ergometer ab, zählte die dabei verbrannte Kalorien, ohne mich trotz dieser Anstrengung auch nur einen Millimeter von meinem Standort zu entfernen. Danach trank ich ein sauteures, giftgrünes Elektrolytgetränk, sah einen Typen beim Stemmen der 140 Kilogramm schweren Langhantel zu und vernahm dessen unmenschlichen Laute dabei. Ich schrieb Whatsapp-Nachrichten, googelte, ob Bohlen und Gottschalk einen weiteren Höhepunkt ihrer virtuellen Feindschaft kundgetan hatten und checkte, ob ich vielleicht neue Follower auf Instagram und Facebook hatte, setzte einen Tweet von mir in der Muckibude ab und teilte alles, was es nur zu teilen gab. Dann musste ich, dank der giftgrünen Brühe kurz austreten und entschied mich, dem ersten Drang erfolgreich zu Wehr setzend, doch dagegen auch das zu teilen. Kurzum, ich tat das, was man heutzutage tut und kurzum, ich verlebte mein Leben.

Eines Abends als ich dem Aussteiger erneut virtuell folgte, dachte ich, wie wohl mein Blog heißen würde. Treten, ohne vom Fleck zu kommen? Feiern bis die Leber nicht mehr kann? Arbeiten bis zum Herzinfarkt? Irgendetwas tief in mir, dass gerade noch so am Leben war und gerne wieder etwas mehr gelebt hätte, gab mir dann die Antwort. “Mein Leben aus der Dose. “ War das wirklich alles, ein Leben das nur noch digital bestimmt war, Zwängen und Mustern folgte?

Meine Antwort war der Kauf eines Tramprucksackes, die Planung einer Route um die Welt, das Kündigen meines Jobs, und der ORF-Gebühren.

Morgen beginnt mein neues Leben ohne digitale Welt aber mit dem Appalachen-Trail. Keine Ahnung wie lange ich weg sein werde. Auf jeden Fall läute ruhig und leb du dein Leben aus der Dose GIS-Typ. Ich bin dann mal weg.

© Thomas Eller 2021-04-08

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