von Rebecca Borde
Es war merkwürdig. Wir kannten uns aus der Grundschule, weil ich und meine Freundinnen für Fabian aus der vierten Klasse geschwärmt hatten. Ich war damals so vernarrt und stellte jetzt, nach all den Jahren, zufällig in einer Bar fest, dass ich ihn immer noch umwerfend fand. Und entgegen all meinen Überzeugungen sprach ich ihn auch noch einfach so an. Ich hatte mir keine Gedanken gemacht, wo das noch hinführen sollte. Das hier war ohnehin ein Flughafen und es war schon jetzt klar, dass uns nur ein paar Stunden bleiben würden, bis einer von uns seinen Flieger bekommen musste.
Ich saß also hier mit dem Typen, von dem ich als Grundschülerin geträumt hatte, und jetzt waren wir wohl endlich auf dieser Ebene, auf der ich immer gern mit ihm gewesen wäre. Einer Ebene, auf der wir gleichwertig waren und auf der wir uns unterhalten konnten. Das gab mir wohl die Möglichkeit, ihm zu zeigen, wer ich jetzt war, und ich hoffte, es sei nun eine bessere Zeit gekommen, die reif dafür war, dass wir vielleicht zueinander fanden. Natürlich schien es erst, als seien wir noch immer nicht auf einer Ebene, weil mir die Vergangenheit eben noch nachlief und er wusste, wie ich mal über ihn gedacht hatte. Aber da waren wir ja auch noch Kinder gewesen. Wir konnten unmöglich von Liebe sprechen. Deswegen fand ich das Wort Schwärmerei nach wie vor sehr passend.
Ich hatte schon oft darüber nachgedacht, was es bedeutete, jemanden zu lieben. Wie viele Menschen können wir in einem Leben wirklich lieben? Wie oft können wir uns verlieben? Was ist, wenn wir pro Leben nur eine Person haben, die wir wirklich lieben können? Und ich meine so eine Liebe wie die zwischen solchen, die am Ende heiraten, nicht wie die zu Eltern und Haustieren. Natürlich muss nicht immer gleich von Hochzeit die Rede sein. Ich meine eine richtige Liebesbeziehung. Dabei denke ich an eine Person, und zwar nur eine einzige, der man in die Augen sieht und weiß, das ist sie oder er. Jemand, für den man einfach alles geben würde und den man einfach bedingungslos liebt.
Was, wenn für diesen Fall für jeden nur eine Person vorgesehen ist? Vielleicht waren deswegen all meine vorherigen Beziehungen gescheitert. Weil es immer Fabian war und niemand anders. Vielleicht war er die Antwort auf all die Fragen, die ich so lange gesucht hatte. Denn alles schien sich irgendwie zu wenden, als er mir in die Augen sah und sich kaum merklich ein Stück vorbeugte und mir zuraunte: „Weißt du, du warst immer die, die ich insgeheim am liebsten von euch dreien mochte.“
© Rebecca Borde 2021-07-17