von Evelyn Weyhe
Sechs Monate Paradies liegen hinter uns. Wir haben viel erlebt und gesehen, Freunde gefunden, wunderschöne Plätze entdeckt und die Insel im Indischen Ozean lieben gelernt. Die Lebensfreude der Menschen, das Sprachgewirr, eine Mischung aus Englisch, Französisch und Kreolisch, das köstliche Essen, das alles macht uns nun den Abschied schwer. Wenn unser Hausmädchen sich das Innere einer halben Kokosnuss um die Füße bindet und im Schlittschuhschritt singend über das Parkett rutscht, kann man nicht anders als gut gelaunt sein. Die traditionelle Sega-Musik dazu, ein Gemisch aus afrikanischen, europäischen und jamaikanischen Elementen geht auch uns in die Hüften.
Noch eine letzte Inselrundfahrt um Mahe herum, ein letzter Besuch bei dem bekannten Inselmaler Michael Adams, ein letzter Abend bei George in der Strandbar, ein letztes Mal sein unvergessliches Thunfischsteak. Traurig nehmen wir von all dem Abschied.
Am nächsten Morgen packen wir das Auto. Mein Mann übergibt die Arbeitsunterlagen seinem Kollegen, meine Tochter verabschiedet sich tränenreich von der kleinen roten Katze Kuskus, die wir eines Abends auf der Straße aufgelesen haben. Sie wird bleiben und gut versorgt sein. Ich mache noch eine Abschiedsrunde durchs Haus, finde das eine oder andere vergessene Teil. Auf dem Weg zum Flughafen sind wir still. Was wird uns zu Hause in Kampala erwarten? Die Nachrichten von dort sind nicht gut, es herrscht totale Anarchie, die Botschaft hat angeregt die Deutsche Schule zu schließen.
Unser nächstes Ziel ist Nairobi, wo wir bei Freunden übernachten. Wir hören BBC und sind im Zweifel, ob wir überhaupt zurück nach Uganda fahren sollen. Es ist der 25. Juli 1978. Wir beschließen, den Zug nach Kampala zu nehmen und uns vor Ort ein Bild zu machen.
Der alte Zug mit dem nostalgischen Speisesaal ganz in dunklem Mahagoni, das Silberbesteck, die Porzellanteller mit dem blauen Emblem UR und dem Kronenkranich – wir wissen, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis dieser schöne Zug einem modernen Modell weichen muss. Unter diesem Aspekt packe ich das Besteck zur Erinnerung ein. Der Schlafwagen ist gebucht, aber nicht angehängt. Wir hocken unbequem auf durchgesessenen Sitzen, meine Tochter schläft im ausgeleierten Gepäcknetz. Kurz vor Kampala kommt der Zug ruckartig zum Stehen. Eine Frau ist beim Überqueren der Gleise von der Lok erfasst worden. Die Reise ist hier zu Ende. Ein LKW lädt die Fahrgäste auf die Ladefläche, und wir erreichen gegen Mittag den Bahnhof in Kampala.
Es wimmelt in der Stadt von Idi Amins Militär, Kontrollen überall, wir hören Schreie und Schüsse. Wie viele andere packen wir unsere Sachen. Im September reisen wir mit Hund und Papagei über Brüssel nach München. Wieder ein Abschied, der viele liebgewonnene Menschen zurücklässt. Am 9. Oktober 1978 marschieren die tansanischen Truppen in Uganda ein. Idi Amin flieht nach Libyen.
Wohin wird uns das Schicksal das nächste Mal hin verschlagen?
© Evelyn Weyhe 2021-02-21