von ratz
Neue Wege im Beruf gehen, im Alter eine Sprache lernen, vielleicht sogar noch ein Studium beginnen – das ist alles gut, soll helfen, das Denken beweglich, das Gehirn plastisch zu halten, und das fällt uns wahrscheinlich ein, wenn von lebenslangem Lernen die Rede ist. Aber ich meine gerade etwas anderes. Etwas, worüber ich immer wieder staune. Nämlich darüber, wie lange ich dafür gebraucht habe, manche Dinge zu lernen, die man eigentlich als Fähigkeiten ansieht, die man als Erwachsener irgendwann einfach hat.
Ich denke zum Beispiel an Kochen, daran, dass es mir jetzt, mit mehr als siebzig Jahren, gelingt, ein etwas komplexeres Essen ohne Stress zuzubereiten. Es fängt damit an, dass ich ausreichend Zeit für das Kochen einplane, geht weiter damit, dass ich zu Beginn für eine aufgeräumte Küche sorge, überlege, welche Zutaten ich brauche, diese bereitlege und mir dann die einzelnen Arbeitsschritte vorstelle, mich frage, wie lange diese dauern, was als Erstes passieren muss, was ich parallel machen kann und was lieber nicht, dass ich zwischendurch etwas, was ich nicht mehr brauche, schon mal zur Seite räume oder vielleicht sogar abwasche, damit aus der Küche nicht im Laufe meines Schaffens ein chaotisches Schlachtfeld wird. Vielleicht erscheint dir all das, was ich gerade aufgezählt habe, ganz selbstverständlich, und du hast es schon immer so gemacht und bist überhaupt in deinem Leben gut organisiert. Bei mir war das anders. Ich habe viele Jahre gebraucht, um zu entdecken, dass ich mir das Leben leichter machen kann, indem ich plane. Nicht nur das Kochen. Auch das Weggehen, um irgendwohin zu fahren oder jemanden zu besuchen. Dass zum Weggehen nicht nur gehört, eine Türe aufzumachen, durchzugehen und sie dann wieder zu schließen, sondern dass ich vorher noch ein paar Sachen zusammensuchen muss, vielleicht Lippenstift auflegen will und dann auch Schuhe und einen Mantel anziehen und meinen Schlüssel einstecken (und schon vorher dafür gesorgt haben sollte dass ich ihn nicht suchen muss). Und vor allem: dass diese Dinge Zeit beanspruchen. Das ist ziemlich logisch. Aber ich habe lange gebraucht, um das zu merken und noch länger, um diese Einsicht in meinem Handeln zu berücksichtigen. Das meine ich , wenn ich von lebenslangem Lernen spreche. Dass es gelingen kann, dass ich also mittlerweile ohne Stress ein Essen zubereite und meinen Bus erreiche, ohne zu rennen, dass der Schlüssel eine festen Platz hat, an dem ich ihn (fast) immer finde, dass mein Schreibtisch einigermaßen übersichtlich ist und die ‚Wohnung nicht mit Dingen übersät, die ihren Platz noch nicht gefunden haben und mich deshalb unruhig machen – all das beglückt mich und ist für mich der Beweis dafür, dass das Lernen immer weitergeht und noch manche interessante Entdeckung auf mich wartet.
© ratz 2025-04-13