von NiniTahini
„Du weißt aber schon, dass das später so nicht mehr geht?“, fragt er mich etwas genervt.
Ich haue nochmal in die Tasten, werfe einen prüfenden Blick auf den Bildschirm und klicke dann auf senden. Erst jetzt drehe ich mich zu ihm und schaue ihn fragend an.
„Sobald du studierst, hast du für so was keine Zeit mehr. Da wirst du mal lernen müssen. Wie soll sich das alles neben Arbeit, Kind, Haushalt und meinem Studium ausgehen? Das ist komplett verrückt, was wir hier machen.“
Ich versuche beruhigend zu lächeln. „Wir kriegen das schon alles hin“, sage ich möglichst einfühlsam und streiche über seinen Rücken.
Sichtlich gestresst schweift sein Blick durchs Haus. Ich sehe mich ebenfalls um. Zugegeben, zum Putzen kommen wir im Moment wirklich nicht viel. Er pendelt die ganze Woche mehrere Stunden, um überhaupt erst zum Studium zu kommen. Ich schaue derweil, dass ich dem ganzen Alltagswahnsinn Herr werde. Und trotzdem, ich liebe es zu schreiben. Mein Timing ist manchmal etwas bescheiden. Wenn ich mir zum Beispiel einbilde, dass ich zusätzlich zu den book awards, noch an zwei weiteren Wettbewerben mit ähnlicher Deadline teilnehme. Aber wenn es nun mal Bewerbe sind bei denen das Thema gerade passt. Da kann man kaum widerstehen. Ich versuche ihm noch zu erklären, dass ich, wenn mich die Muse küsst, gar nicht so lange brauche. Das Kindermärchen war in circa drei Stunden fertig. Na gut, mit Korrekturlesen dauert es dann doch länger. Diesmal war außerdem auch ein Bild gewünscht, freiwillig. Natürlich probier ich das. Gut, im Vergleich zu den anderen Kunstwerken im Buch, wirkt meines etwas infantil. Verdammt, warum hab ich übersehen, dass man auch Fotos einreichen kann. Das mit den Fotos kann ich eigentlich schon ganz gut. Und warum fehlt eigentlich meine Kurzbiographie? Macht man das bei Pseudonymen so? Das hätte ich mal vorher klären sollen. Ach, egal! Meine erste Veröffentlichung in einem Buch! Ich könnte platzen vor Stolz.
„Und was ist ohne Kuss?“, reißt er mich aus meinen Gedanken. Was? Wo waren wir gerade? Welcher Kuss? Bedeutet schreiben jetzt Kussentzug?
„Na der Kuss deiner Muse!“
Achso! Ich versuche ihm zu erklären, dass mir die meisten Ideen einfach so um die Ohren fliegen. In der Arbeit, am Spielplatz oder auch nachts. Man kann über absolut alles schreiben, Mamachaos, unsere Reisen, Begegnungen, Gespräche – egal ob real oder erfunden. Und genauso über das spätere Studium. Warum nicht? Da Treffen zwei Leidenschaften aufeinander, noch besser. Unialltag, Krimis über einen fiktiven Mord in der Cafeteria, Psychothriller zur Bachelorarbeit. Soziale und gesellschaftskritische Themen. Schreiben ist wichtig. Sprache verändert sich immer wieder und Sprache kann auch aktiv etwas ändern! Ich tigere durch die Küche, hüpfe von links nach rechts. Am Höhepunkt meiner Ausführung gestikuliere ich wild mit den Armen in alle Richtungen. Inzwischen lächelt er, zieht mich zu sich und drückt mir einen Kuss auf. Wir schaffen das!
© NiniTahini 2023-01-27