von Katharina Bacher
Und da ist es wieder. Lena kann es kaum fassen. Acht Monate ist die Trennung von Daniel her. In der ganzen Zeit hat sie keinen einzigen Gedanken an Flirts oder Männer verschwendet. Hin und wieder hat sie darüber nachgedacht, ob es nicht aufregend wäre, mal eine Affäre mit einer Frau zu haben. Aber Sex mit Männern, nein, das kam ihr vorerst nicht in die Tüte. Sie brauchte Zeit sich selbst erst wieder neu kennenzulernen. Drei Jahre hatten Daniel und sie eine sehr intensive Beziehung geführt. Sie hatte von ihm gelernt, dass es okay und wichtig ist sich manchmal zu streiten. Er unterstützte sie dabei ihre Bedürfnisse zu kommunizieren und sie half ihm sich seinen inneren Konflikten zu stellen. Sie war stolz auf die Beziehung, stolz darauf wahrhaftig geliebt zu haben.
Daniel und Lena trennten sich im Guten. Sie sprachen sich aus, reflektierten ihre Beziehung und speicherten, jeder für sich, ab, was sie in der nächsten Partnerschaft anders machen wollen. Dann ging Daniel zurück nach München und Lena blieb in Innsbruck. Sie entschied felsenfest sich auf ihre Karriere und geistige Weiterbildung zu konzentrieren und sich nicht von Männergeschichten ablenken zu lassen. Sie begann sich auch sexuell neu zu entdecken. Dafür plante sie sich eine konkrete Zeit zum Masturbieren ein, probierte es mit Musik, Sexgeschichten aus dem Internet und berührte sich an verschiedenen Stellen, mal sanft, mal etwas fester. Oft kamen ihr kurz vor dem Orgasmus die Tränen. Das war okay für Lena, denn sie wusste sie musste sich ihrer Sexualität ganz neu stellen. Lena hatte einfach zu viel erlebt.
Die letzten acht Monate, hat es gut funktioniert ihren Fokus auf Selbstentfaltung zu legen. Doch nun, ist es wieder da. Dieses mulmige und doch beglückende Gefühl, wenn sie an Chris denkt. Lena sitzt auf ihrem Sofa und schreibt auf Whats App. Dann löscht sie ihren Satz. Sie tippt einen neuen ein. Löscht das Emoji, wählt ein anderes aus. Sie ärgert sich über sich selbst. Gestern hätte sie schon übertrieben damit, dass sie sich so viele Gedanken machte, wie sie rieche, aussehe und ob er wohl bemerkte, dass sie nicht rasiert war. All diese Gedanken will Lena nicht mehr haben. Diese Unsicherheiten. „Ich bin jetzt erwachsen.“, sagt sie Richtung Fenster und atmet tief durch. „Das muss so nicht mehr sein. Es ist okay unsicher zu sein, aber ich muss mich nicht danach verhalten. Es ist gut, was auch immer als Erstes aus mir rauskommt.“ Schnell tippt sie, dass sie sich gefreut habe ihn zu sehen und schickt es mit einem Roten-Wangen-Smiley ab. Die Nachricht erscheint auf dem Display und im selben Moment werden die Häkchen in der rechten unteren Ecke blau. Triumphierend lacht Lena laut auf und gibt ihrem frühlingshaften Bauchkribbeln freien Lauf während Chris schreibt.
© Katharina Bacher 2021-04-05