von Theodor Lang
Ein charismatischer, gut ausgebildeter, sehr besonnener sowie pflichtbewusster verheirateter Mann und Familienvater führt seit mehreren Jahren ein Profil auf Gayromeo, einer der wohl bekanntesten internationalen Schwulen-Plattformen. Darin gibt er an, an bestimmten Tagen besuchbar zu sein, definiert sich selbst als bisexuell und betont Diskretion aufgrund seines Ehebündnisses. Der 37-Jährige deklariert in der Kurzinformation seine sexuellen Vorlieben und Abneigungen und weist ganz offensichtlich die Absicht hinter seiner Onlinepräsenz aus. Thom, so der Name des – seinen entblößten schlanken Oberkörper auf dem Profilbild präsentierenden Anwärters auf ein etwaiges Treffen in natura, verfolgt das gleiche Ziel wie ich es tue: Wir sehnen uns nach einem Partner für gewisse Stunden. Für genussvolle Stunden zu zweit, jedoch nicht mehr. Auch wenn mir das zu wenig ist. Doch durch die negativen Erfahrungen, die ich dank meines „Trottelex“, der aktuell in der Justizanstalt sein Dasein fristet, machen musste, kommt für mich das 0815-Beziehungsmodell mittlerweile nicht mehr infrage. Sodass das Modell Freundschaft Plus für mich die einzig geeignete Alternative darstellt. Durch das Widerlegen der bewusst beleidigenden Aussage, dass andere Männer sich von mir aufgrund meiner Transidentität und optischen Mängel distanzieren würden, seitens des von mir weggewiesenen (vielfachen) Straftäters, möchte ich gerne mit dem grauenhaften Lebensabschnitt „Leben mit und sorgen für einen Suchtkanken“ allemal abschließen. Thom sucht nach einem Transmann, wie ich es bin. Zum Verwöhnen, zum Befriedigen, um das zu kompensieren, was ihm zu Hause verwehrt bleibt. Mir klingt das – vielleicht geben Sie mir ja recht – fremd, suspekt, verdächtig. Nur unter der Prämisse, sich im Laufe einiger Telefonate sowie Videoanrufe vorab kennenzulernen, stimme ich einem Treffen zu. Und zu diesem ersten (und in Folge zu weiteren) Treffen kommt es; nämlich bei mir zu Hause. Eines vorweg: Ich habe mich in meinem Leben bis jetzt – bis zu diesem einen Moment – noch nie so nackt gefühlt. Noch nie so verdammt entblößt weiblich. So verletzlich. Entpackt und unbedeckt. Gepackt und daraufhin geleckt. Offen, breitbeinig und unkaschiert.
Sobald meine Tigerkatze nicht mehr als Eisbrecherin zwischen uns beiden Männern auf dem Boxspringbett fungiert, weil sie abpascht (du kleine süße miese Verräterin!), beginnt der „Ernst der Stunde“. Carmi tänzelt in Richtung Küche den Flur entlang; meine Augen jagen ihr hinterher. Mein Blick will zurückstreifen und bleibt an zwei mich starr fixierenden Pupillen hängen. Das muss er wohl schon die ganze Zeit machen: Auf den richtigen Moment warten. Ihn durch sein mich durchdringendes Fokussieren provozieren. Wie ein schüchternes Mädchen wende ich mein verlegenes Schmunzeln von Thom ab. Nix da! Ertappt! Der wie auf Nadeln Sitzende handelt in Sekundenschnelle: Er lässt mich verstummen durch sein heißes festes Lippenspiel, umschlingt mich, überfällt mich, bis die Hüllen fallen: Er öffnet meine Jeans, packt mich an den Oberschenkeln, bugsiert mich in Rückenlage, krallt sich mein Höschen, spreizt meine Beine und hievt jeweils ein Bein auf seine Schultern. In nasse Wellengelage verfallen, die einander überlappen, überlagern und ineinander übergehen – in Trance gefangen – stöhne ich, schreie ich auf, stoße ich (aus) und fühle mich lebendiger als je zuvor. Wenn ein Womanizer auf einen Transmann trifft…
© Theodor Lang 2025-07-18