von Sabine Benedukt
Die Lesung von Michael Köhlmeier in Linz beginnt um 18.30. Ich komme vom Büro, bin viel zu früh in der Buchhandlung. So stöbere ich im Parterre bei den Neuerscheinungen noch ein bisschen, aber bald zieht es mich in den dritten Stock. Neben dem Café sind eine Stunde vor Beginn die Stühle aufgestellt und einige Plätze mit Mänteln bereits reserviert. Diese Chance nutze ich auch, so kann ich später von der dritten Reihe aus den Dichter beobachten.
Die Zeit überbrücke ich mit dem Schmökern in prachtvollen Gartenbildbänden, die es hier oben gibt. Da geht plötzlich Michael Köhlmeier mit einem Herrn der Buchhandlung an mir vorbei, sie saßen vermutlich im Café. Ein Mann neben mir sieht den beiden überrascht nach. Ich hätte ihn mir größer vorgestellt, weil er eben ein großer Dichter ist. Er scheint wie ein Mensch wie Du und ich, seine Bekanntheit und seine wunderbare Art zu schreiben sieht man ihm nicht gleich an.
Kurz vor Beginn füllt sich der Raum mit ca. 200 Zuschauern. Als Michael Köhlmeier dann erscheint, wird es still. Der Moderator stellt ihn als einen der bedeutendsten Dichter unserer Zeit im deutschsprachigen Raum vor und meint zugleich, dass er ein bisschen aufgeregt sei. „Ich bin auch aufgeregt“, sagt Michael Köhlmeier, sehr sympathisch. Dann liest er uns vor, etwa 30 Minuten, aus dem Buch „Die Verdorbenen“.
Anschließend erzählt er, dass ihm Geschichten passieren, und er sie dann „nur noch abschreiben muss“. Er meint, an uns gewandt, wenn wir selbst schreiben möchten, dann muss da zuerst etwas im Kopf da sein, eine Idee. Man könne sich nicht einfach hinsetzen und denken, ich schreibe jetzt.
Und wie entsteht ein Titel? Die Verleger haben oft gute Einfälle, sagt er. Und wenn er ein Buch fertig geschrieben hat, seine Frau, Monika Helfer, es auch gelesen hat, dann gehen sie spazieren und machen „Brainstorming“. Er erzählt, dass dann jeder alles sagen kann, auch ganz verrücktes. Auch so können Titel entstehen. Jemand im Publikum sagt, er kenne Monika Helfer. Michael Köhlmeier antwortet: „Dann wissen Sie, das ist eine Frau, die lässt man nicht mehr gehen“.
Er meint auch, wenn er drei Tage nichts geschrieben hat, dann muss er schreiben. Bei seiner Frau sei das anders. Sie schreibe manchmal tagelang nichts. Im Sommer arbeite sie oft einen ganzen Tag im Garten, dann kommt sie glücklich herein, wäscht sich die schmutzigen Hände. Sie trinkt ein Glas Wein, er ein Bier. Sie kann tagelang ohne schreiben auskommen. Das gefällt mir sehr. So ein Tag im Garten macht mich auch glücklich, wenn alles wächst und gedeiht. Da braucht es sonst nichts.
Er redet über Gedichte, über den Erlkönig von Goethe, ratscht ein paar Sätze davon herunter: „Wer reitet so spät durch Nacht und Wind, es ist der Vater mit seinem Kind …“ – ein ganz einfach gemachtes Gedicht, sagt er. Aber es rührt ihn immer wieder an. Im Gegensatz zur Bürgschaft von Schiller, das sei meisterhaft gemacht, aber es rühre ihn nicht. Ich könnte ihm stundenlang zuhören, auch als er sich über Politik äußert. Das tut gut, was er dazu sagt. Und ein signiertes Exemplar von den „Verdorbenen“ habe ich auch mit heim genommen.
© Sabine Benedukt 2025-02-09