von Andrea Plank
Der Magen knurrt. Der KĂŒhlschrank lamentiert. Auf in mein Revier. Meinen Supermarkt. Von hektischen Wilderern kreist die Kunde. Von ratzfatzen Leerregalen. Geldentwertung. Und wĂŒsterem. Angespannt schiele ich also um die Ecke.
Handdesinfektion gleich neben dem Eingang, Plastikhandschuhe werden ausgegeben. Der Faktencheck am Klopapierregal ergibt, dass ebensolches noch vorrĂ€tig ist, sogar im Angebot. Die feuchte Variante ist jedoch geplĂŒndert, was mich ins Jammertal stĂŒrzt, aus dem ich flugs aufgrund der erhebenden Tatsache auftauche, dass Handseife wohl der Renner der Saison ist.
Und schon frage ich mich: Was kauft man jetzt eigentlich so als Hamster?
Still stelle ich mich in eine Ecke. Beobachte knattertonmĂ€Ăig alle passierenden EinkaufswĂ€gen und komme nicht umhin festzustellen, dass es zwei Trends gibt:
A) Erdbeeren, Mayonnaise, m&m, FrĂŒhstĂŒcksflocken, TiefkĂŒhlkost, Wasser, Sekt, Avocados, Wurst, Wurst, WĂŒrstel, Wurst, 17 Plastikpackungen Petersilie. Selbstverfreilich: Pasta, Klopapier.
B) Buchweizen, ErdĂ€pfel, Reis, Zwiebel, Bohnen, Wein, KĂ€se, Obst, Obst, GemĂŒse, Obst, Putzmittel.
Eine Schelmin, die Team A fĂŒr Einwanderer hĂ€lt, die sich ja hier Auswanderer nennen.
Eine, die noch immer ein Dings mit SupermÀrkten hat, aber auch mit Geschichte, die Team B als Einheimische identifiziert.
Revolutionen, FreiheitskĂ€mpfe, Kriege, EinmĂ€rsche, Mangel, Korruption, Armut, Ăberlebenskampf. Ein kurzer Abriss der letzten zwanzig Jahre fĂŒr Georgier.
Ich favorisiere also die Vorstellung, dass Menschen, deren Leben und Existenzen nicht zum ersten Mal auf dem Spiel stehen, keinen Sinn in Panik sehen. Sondern schlicht tun, was zu tun ist. Mit Einsicht. Mit Zusammenhalt.
Derweil hyperventilieren Andere in warmen Wohnungen bei vollen Speisekammern, wĂ€hrend sie sich eine Blubberbadewanne einlaufen lassen, um sich im Videochat Leuten, die sie die letzten drei Jahre nicht vermisst haben, möglichst entspanntsexy zu prĂ€sentieren und plaudern ĂŒber die neuesten Trends in Sachen Gesichtsyoga.
Was soll ich machen? Mein Hirn galoppiert beim Gehen. Da kann ich gar nix fĂŒr.
Acht Touristen sitzen im letzten geöffneten InnenstadtcafĂ© ausgelassen beisammen. Lachen. Umarmen sich. Trinken. Auf der anderen StraĂenseite werden sie beobachtet. Kommentarlos. Aber ausdauernd. Eine junge Frau setzt sich ans andere Ende der Parkbank und hört einer leise vor sich hin weinenden, alten Frau zu, spricht beruhigend mit ihr. Drei erweiĂte MĂ€nner spazieren mit gut einem Meter Abstand voneinander ins GesprĂ€ch vertieft. Einer von ihnen hĂ€lt liebevoll eine oft gehörte Langspielplatte mit Musik von Beethoven.
Tags darauf verkĂŒndet die georgische Regierung den Ausnahmezustand. AuĂengrenzen sind bereits geschlossen, Ăffis werden eingestellt, wegen einer Infizierten zwei Regionen abgeriegelt, Kassiererinnen mit Plastikscheiben geschĂŒtzt. Hotels schlieĂen. Die Zahl der Infizierten liegt unter 70.
© Andrea Plank 2020-04-06