Lichtblicke und Höhepunkte

Gabriele Leeb

von Gabriele Leeb

Story
Waldviertel 2025

Ich stehe am Fenster und blicke ziellos in die Gegend hinaus.

Einige Minuten später fixiere ich einen Regentropfen an der Glasscheibe. Er steht ganz still und glänzt. In der Nacht hat es geregnet und übrig geblieben ist dieser Tropfen, wie eine einzelne Träne.

Ich lasse meine Lesung vom Freitag Revue passieren und fühle mich gut. Eine kleine, feine, überschaubare Zuhörerschaft hat mich begeistert begleitet und es hat mir wieder Spaß gemacht. Gestern konnte man den Artikel darüber schon im Internet lesen und auf Facebook und morgen erscheint er in der Zeitung. Die Worte sind wohltuend positiv und die vier Fotos dazu ebenso. Ich bin stolz auf mich und im Herbst folgt die nächste Lesung.

Plötzlich bricht die Sonne durch und ich kann es fast nicht glauben. Hat sie sich doch sehr rar gemacht in den letzten Wochen. Seit vierzehn Tagen saß ich nicht mehr auf der Terrasse und habe sie genossen. Vorsichtig öffne ich die Terrassentür und gehe zum Tisch. Noch ist es kühl, doch zu Mittag wird sie ihre Kraft entfalten. Große, weiße Wolken ziehen langsam vorüber, Vogelgezwitscher begleitet sie und ich betrachte meine Zucchini. Vier Blüten blinzeln mich an und die Vorfreude an die kommenden Früchte lassen mich strahlen. Zehn Karottensamen sind ebenfalls aufgegangen, noch sehr zart, aber da. Simba liegt entspannt auf dem Sessel und schläft. Die Ribiselstaude zeigt mir, dass es viel zum Ernten geben wird und die Walderdbeeren blühen. Eine Biene sitzt auf einer Blüte und die Rosen tragen schon erste Knospen. Der Thymianstock duftet im saftigen Grün.

In einer halben Stunde gehe ich mit Philipp einkaufen und morgen werde ich Wäsche waschen. Dann kann ich die Wäsche endlich wieder im Freien aufhängen. Überall blüht der Flieder in verschiedenen Farben und dadurch ist auch der Duft immer etwas anders. Der Wind ist nicht mehr so stürmisch, sondern hält sich vornehm zurück. Ist der Frühling endlich angekommen, bevor es Sommer wird?

Gesundheitlich bin ich noch etwas angeschlagen. Ich musste ein starkes Antibiotikum nehmen und nun ist meine Darm- und Scheidenflora nicht mehr im Gleichgewicht. Gerade schickt mir meine Zwillingsschwester ein Foto von Frankreich. 23 Grad und Sonnenschein und sie im ärmellosen Oberteil. Ich bin mit langen Ärmeln unterwegs und die aufkommenden grauen Wolken geben mir recht. Sie decken erbarmungslos die Sonne zu.

Ich lege mein Handy weg und richte den Einkaufstrolley. Philipp freut sich schon sehr. Einkaufen ist meistens der Höhepunkt seines Tages und ich hoffe, dass sich die Sonne nicht ganz vertreiben lässt und uns auf unserem Weg wärmt.





© Gabriele Leeb 2025-05-20

Genres
Biografien
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Informativ, Inspirierend