von ratz
Gerade haben wir den kürzesten Tag des Jahres hinter uns und die längste Nacht. Das Bedürfnis, Licht in so viel Dunkel zu bringen, ist groß und wird dank des Angebots an LED-Weihnachtsbeleuchtung seit einigen Jahren immer hemmungsloser ausgelebt. Kaum kann ich mich noch daran erinnern, wie in vereinzelten Gärten eine Tanne mit elektrischen Kerzen geschmückt wurde, über den Straßen der Stadt ein paar Sterne leuchteten und es ansonsten tatsächlich dunkel war im Winter. Es gibt immer mehr Gärten, in denen es so funkelt und flimmert, dass ich davon geblendet bin. Manche Wohnviertel liefern sich offenbar Schlachten darum, wer die üppigste Beleuchtung in seinem Garten installiert hat. In deutschen Haushalten sollen laut einer Umfrage 21 Milliarden LED-Lämpchen vorgehalten werden, um die dunkle Adventszeit zu erhellen. Und das ist nicht nur in Deutschland so. Der Bürgermeister der spanischen Stadt Vigo brüstet sich damit, dass die Weihnachtsbeleuchtung in seiner Stadt die in New York alt aussehen lasse. Ja, die Lämpchen bringen Licht ins Dunkel und manchmal sehen sie hübsch aus, auch wenn mir das Geflimmer oft zu viel ist. Ja, Menschen stecken viel Liebe in die Gestaltung ihres Balkons wie die, die ihren Balkon so geschmückt haben, wie es das Foto zeigt, mit dem ich meinen Text illustriere. Aber wenn ich dann lese, dass die Umweltschutzorganisation Amigos de la Tierra ausgerechnet hat, dass allein durch die Stromerzeugung für die Weihnachtsbeleuchtung von Vigo jeden Winter 800 Tonnen (!) CO 2 anfallen und wenn ich das dann auf Spanien oder auf ganz Europa hochrechne und noch all die in Gärten verteilten Lichtkugeln dazunehme und die strahlende Außenbeleuchtung an vielen Eigenheimen, die unbedingt die ganz Nacht brennen muss, dann bekomme ich einen Schreck und eine Wut auf die Hemmungslosigkeit, mit der wir Menschen Energie verbrauchen. Wie gering die Bereitschaft ist, sich nur ein bisschen einzuschränken an einer Stelle, wo es gar nicht wehtun würde! Es müsste kein neues Gesetz erlassen, keine neue Energiequelle erschlossen werden, nur ein wenig Zurückhaltung geübt, um an dieser Stelle eine Menge CO 2 einzusparen. Ich bin nicht gläubig, halte trotzdem viel von der weihnachtlichen Botschaft, die davon kündet, dass die Rettung klein und unscheinbar daherkommt. Was würde dieser kleine Jesus wohl von dem halten, was wir in Vorfreude auf das Fest veranstalten, das irgendwie mit ihm zu tun hat? Und liegt da nicht ein Irrtum vor, wenn wir meinen, wir müssten das Dunkel um jeden Preis vertreiben? Naturschützer sprechen schon lange von Lichtverschmutzung in Bezug auf die Beleuchtungsintensität in unseren Siedlungen. Wir wissen, dass es der Tierwelt schadet, dass Vögel sich nicht zum Schlafen in beleuchtete Bäume setzen, dass Insekten sterben, weil sie gegen Lichter fliegen. Und dass Menschen schlechter schlafen, wenn es nicht richtig dunkel ist im Zimmer. Und dass wir europäischen Menschen an einem Ausgezehrt-Sein leiden, das in der Regel als Depression bezeichnet wird. An meinem Balkon hängt keine Lichterkette. Ich beobachte gerne, wie morgens am Himmel ein heller Streifen entsteht, je nach Wetterlage diffus hinter dem Wolkengrau, scharf abgegrenzt, wenn die Wolken einen Spalt freilassen, oder farbenprächtig, wenn der Himmel gerade mal klar ist. Da soll mir bitte kein LED-Geflimmer dazwischenfunken.
© ratz 2024-12-23