von Jelena Moesus
Lou war wie der Mond: nicht so laut wie die Sonne, aber ihr stilles Licht gab jedem noch so gewöhnlichen Gegenstand einen Hauch von Magie. Es faszinierte Ayla immer wieder, wie Lou von einem Thema reden konnte, von dem Alya keine Ahnung hatte, welches sie nicht einmal verstand, und trotzdem schien es wie das Spannendste der Welt, weil Lou mit solch einem Enthusiasmus sprach.
In den drei Monaten, die sie sich nun kannten, hatte Ayla viel zu viel Zeit damit verbracht, über ihren Mond-Vergleich nachzudenken. Inzwischen war sie ganz zufrieden damit.
»Was ist das Verrückteste, das du je getan hast?«, fragte Ayla in die angenehme Stille. Obwohl kein Schnee mehr lag, blieb die Luft frostig, trotzdem hatten sie sich für einen abendlichen Spaziergang getroffen. Mondlicht versilberte den Parkweg unter ihren Füßen.
Lou warf ihr einen Blick zu. Sie hatte die Hände gegen die Kälte in ihren Jackentaschen vergraben und Rot färbte ihre Wangen. »Willst du eine ehrliche Antwort?«
»Immer.«
»Mit dir einen Kaffee zu trinken.«
Ayla zog die Augenbrauen hoch. »Wirklich? Willst du damit sagen, ich bin verrückt?«
»Läge ich falsch?«, fragte Lou zurück. Aber bevor Ayla eine Antwort geben konnte, schüttelte die andere Frau den Kopf und senkte den Blick auf ihre Schuhe. »Wir kannten uns nicht. Eigentlich war ich mit meiner Ex verabredet. Sie wollte, dass ich ihr noch eine Chance gebe.«
Ayla wandte nicht den Blick von Lous Gesicht ab. »Du warst dir unsicher.«
»Sehr.«
»Was hat dich dazu bewogen, mein Angebot anzunehmen?« Die Frage war schon lange durch ihren Hinterkopf gegeistert wie… nun, wie ein Geist. Vielleicht sollte sie doch lieber Vergleiche denen überlassen, die sich damit auskannten.
Lou erwiderte ihren Blick nicht. »Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass wir uns gut verstehen würden. Ich glaube eigentlich nicht an Schicksal, aber wenn es so etwas gibt…«
»Mein grenzenloser Charme hat dich so in meinen Bann gezogen, dass du dachtest, es wäre Schicksal«, sagte Ayla mit einem Grinsen. Lou schnaubte, traf jetzt endlich Aylas Blick. Ayla blieb stehen, zwischen den Schatten zweier Bäume. »Ich habe eine verrückte Frage.«
Auch Lou war stehengeblieben und legte jetzt leicht den Kopf schief. Das Mondlicht zeichnete einen Heiligenschein um ihren Kopf. »Woran denkst du, Ayla Prince?«
»Willst du mich küssen?«
Lou schluckte sichtbar. »Das ist das Zweitverrückteste, worüber ich jemals nachgedacht habe.«
»Was ist verrückter?«, flüsterte Ayla. Sie traute ihrer Stimme nicht.
»Meine Antwort«, sagte Lou und küsste sie.
Funkten stoben in Aylas Brust. Funken aus Mondlicht.
© Jelena Moesus 2022-08-27