von MISERANDVS
Dorten, am Weiher, dort singet zur Nacht,
ein Mädchen, ein schönes, und hält ihre Wacht.
Sie singet ein Liedlein, so traurig, voll Pein.
Sie sitzet und singet allabends allein.
–
Ach, klingt doch ihr Liedchen voll Trauer so rein!
Wo mag wohl der Liebste zum Liedelein sein?
Sie singet mit Sehnsucht, mit Wehmut so fein.
Will da nicht ein jeder der Liebste gern sein?
–
Und hebt sich der Mond zur nächtenen Stund‘,
da klagt sie mit Tränen und tuet es kund:
Der Liebste, der Liebste, er ward ihr genommen;
lebt nur in dem Lied noch, so singt sie beklommen.
–
So sitz‘ ich allabends am Weiher, dem reinen,
und lausche dem Mädchen beim Singen und Weinen.
Es scheinet der Mond ja so hell durch mich fort,
sitz‘ ich, nah dem Mädchen, an einsamem Ort.
–
Es wehet der Wind sanft, durchgleitet mich stumm.
So geh‘ ich seit Jahren als Geist schweigend um.
Kann sprechen nicht zu ihr, wie sehr ich‘s auch will.
So hock‘ ich, ihr Liebster, und lausche ganz still.
–
Kann leben nicht wieder und darf nicht vergehen,
muss stets unter Sternen mein Lieb‘ weinen sehen.
Ach Liebchen, mein Liebchen, du singest so fein.
Oh, wissse, mein Liebchen, ich bin hier. Bin dein.
© MISERANDVS 2021-10-19