Liebe

Ellen Thea

von Ellen Thea

Story

Ich habe nie an Liebe geglaubt, aber nimmt man es ganz genau, tat ich es doch.

Ich glaubte an sie wie ein Priester an Gott und die Sonne an den Mond glaubt.

So selbstverständlich wie ein Kind weiß, dass der Himmel blau ist und Papa alles kann.

Ich habe nie an Liebe geglaubt, was heissen soll, dass mir mal jemand gesagt hat, ich soll nur an das glauben, was ich auch sehen kann.

Und gesehen habe ich das Anschweigen und Aufgeben, das Anschreien und Weghören.

Frühstücksvorwürfe und Gute Nacht Zweifel.

Ich habe nie an Liebe geglaubt, aber das hielt mich nicht davon ab, sie überall zu suchen.

Aufgesetztes Gelächter zu verschenken, als wäre es so wertlos, wie ich mich fühlte.

Das glücklichste Mädchen der Party weint den ganzen Heimweg lang.

Es gibt nichts hässlicheres als eine Frau, die nicht an Liebe glaubt.

Ich habe nie an Liebe geglaubt, womit ich eigentlich nur sagen will: Bitte habe Geduld, ich weiß nicht, wie sich das hier anfühlen soll.

Ich habe nie an Liebe geglaubt, aber das war gelogen, ich dachte bloß sie wäre nichts für Mädchen wie mich.

Ich habe nie an Liebe geglaubt, aber ich glaube, du bist Liebe, also reicht es vielleicht, wenn ich an dich glaube. Sag mir, reicht dir das?

Ich habe nie an Liebe geglaubt, zumindest habe ich nicht geglaubt, an sie zu glauben, aber eigentlich habe ich immer an Liebe geglaubt, nur nie an mich.

Ich habe nie an Liebe geglaubt, aber du schreibst mir Gedichte und schneidest mein Obst für mich klein und so bedingungslos hat mich davor nur meine Mutter geliebt.

Ich habe nie an Liebe geglaubt, aber ich glaube an das hier.

Ich glaube an Ölfarben und an die Locken zwischen meinen Fingern und an Geschenke, verpackt in Zeitungspapier.

So wie ich früher an den Himmel und meinen Vater geglaubt habe, so wie ich jetzt an Liebe glaube.

Ich habe nie an Liebe geglaubt, für immer glaube ich an dich.

© Ellen Thea 2022-06-03

Hashtags