LIEBE COUSINE

InaRavain

von InaRavain

Story

Wie geht es dir? – „Oasch!“ – Warum überrascht mich diese Antwort nicht.

Ein echter Wiener geht nicht unter – eine echte Wienerin wie du aber auch nicht!! Mit welcher „Weltgewandtheit“ du mit einem einzigen Wort Dinge ausdrücken und Situationen beschreiben kannst, für die andere mit viel Mühe nach den richtigen Worten suchen, ist bewundernswert.

„Ich war einkaufen, da waren wahnsinnig viele Leute unterwegs, wie war es bei dir?“ – „Oasch!“ – „Heute ist es wieder schrecklich heiß, ich schwitze fürchterlich, schwitzt du auch so sehr?“ – „Haß is fian Oasch!“

Klar und deutlich auf den Punkt gebracht.

Selten, dass dir die Worte fehlen. Als wir letztens telefonierten, fiel dir der Titel der Fernsehsendung, die du gerne schaust, nicht ein. Ich konnte dir auch nicht weiterhelfen. „Oida, wia haßt de Sendung, de i jedn Nochmittog schau?“ hörte ich dich ins Zimmer rufen. Ich konnte nur ein Brummen aus dem Hintergrund vernehmen. „Nau de Sendung, de i aum Nochmittog imma schau!“ Brummen aus dem Hintergrund. „Dea was net amoi wia de Sendung haßt, de i aum Nochmittog imma schau, der merkt sie jo gor nix!“ Na liebe Cousine, wie soll der arme Mann wissen, was du am Nachmittag immer schaust. Hast du mir doch selber erzählt, dass er meistens in seine Bücher oder Zeitschriften vertieft ist. Und ruhig und still in seinem Fauteil sitzt. Dass er ein ruhiger Typ ist, so gut kenne ich ihn auch schon. Außerdem hast du uns doch letztens erklärt – als wir in einer kleinen Runde gemütlich beisammen waren:“Mei Mau red net vü, oba wenn a wos sogt, daunn is a Bledsinn!“ Das war deine Reaktion darauf, dass er dir widersprochen hat.

Nochmals vielen Dank für die Einladung in euer Häuschen im Weinviertel. Ich bin doch ziemlich erschrocken als wir deinem Nachbarn begegneten und du ihn begrüßtest:“ Servas Huababauer du Oaschloch, wia gehts da? Kumm auf an Kaffee vorbei!“ Der wird aber ganz schön beleidigt sein, dachte ich. Scheint aber dein üblicher Gruß unter Freunden zu sein. Pünktlich zur Jausenzeit erschien „das Oaschloch“ und ihr beide habt euch blendend unterhalten.

Jetzt ist aber eine längst fällige Entschuldigung angesagt. Du erinnerst dich sicher als wir als Kinder (du warst ca. 8 Jahre) an der Alten Donau spazierten und du plötzlich sagtest „schau da sitzt ein Hendl am Baum“. Ja, damals hast du sehr schön gesprochen!! Ich erklärte dir, dass Hühner nicht auf einen Baum fliegen können. Schließlich war ich (und bin es noch immer) fünf Jahre älter als du und wußte natürlich alles besser. Immer wieder sagtest du „schau, da sitzt wirklich ein Hendl am Baum“. Mit einem „verarsch mich doch nicht“ (Oh mein Gott – hast du etwa das „Oasch“ von mir gelernt?!) schnauzte ich dich an. Du warst sehr traurig, dass ich dir nicht glaubte. Ich muss also Abbitte leisten. Es gibt sie wirklich, die Hendln am Baum. Letztes Jahr in Griechenland habe ich sie gesehen. Nicht nur eines – es waren mindestens acht. Du hattest also recht! Übrigens – bleib so wie du bist, so bist du richtig.

Deine Cousine

© InaRavain 2020-05-21