von Katharina Müller
keiner kennt Dich so gut wie ich. Uns beide verbindet so viel und doch sind wir zwei verschiedene Wesen auf der Suche nach Geborgenheit. Nach Nähe. Nach Trost. Nach Verständnis und nach noch so viel mehr, dass Dir so lange verwehrt wurde. Verständlich, dass Du immer noch danach suchst und beim kleinsten Anflug einer dieser essenziellen Elixiere vergisst Du Dich und Deine Stärke. Es ist traurig mit anzusehen, wie du förmlich darum bettelst, dass sie dir etwas davon gibt, was du brauchst. Und gleichzeitig zu wissen, dass sie nicht in der Lage ist es dir zu geben. Sie braucht es selbst so sehr und hat es ebenfalls nicht bekommen. Ein sehr trauriger generationsübergreifender Umstand. Ich kann Dir leider nicht sagen, was genau in ihr vorgeht. Warum sie dich so behandelt. Da klingt sofort folgender Satz in mir auf: „Verschwende Deine Kraft nicht mit bereits verlorenen Kämpfen, sondern nutze diese für die wesentlichen und schönen Dinge in Deinem Leben.“ Liebes Kind, ich spüre genau wie es Dir geht. Ich spüre den unendlichen Schmerz, der sich in Deiner Brust wie ein schwarzes Krebsgeschwür um Dein Herz gelegt hat. Ich spüre die unzähligen Enttäuschungen, die wie ein dicker Kloß in Deinem Hals stecken, weil Du sie jedes Mal heruntergeschluckt hast. Ich spüre dieses unbeschreibliche Gefühl des nicht gewollt Werdens. Keiner spricht es aus, doch tief in dir wirst du diese Gedanken nicht los, dass du unerwünscht bist. Das Gefühl, dass Du es nicht wert bist, dass Dir geholfen wird. Das Gefühl, dass Du selbst daran schuld bist, weil Du einfach zu sensibel bist. Das Gefühl, dass Du alleine damit bist und dass Du alleine damit zurechtkommen musst. Es ist so unglaublich schmerzhaft in einer Familie zu leben, die nicht in der Lage ist Dir, das zu geben, was Du brauchst. Wie kann ein Keimling gedeihen, wenn ihn weder Wasser noch genügend Licht erreichen? Wie soll ein Vogelküken lernen zu fliegen, wenn es ihm die Mutter nicht zeigt? Wie soll aus Dir liebes Kind eine liebende Mutter werden, wo Du selbst keine hattest?
Ich kann Dir Deinen Schmerz, Deine Enttäuschung und Deine Verzweiflung leider nicht nehmen. Könnte ich es, würde ich keine Sekunde lang zögern. Doch das was geschehen ist, ist geschehen. Das Einzige wozu ich in der Lage bin, ist Dir zu zeigen, wie Wasser und Licht den Keimling erreichen. Ich kann Dir zeigen, wie Du fliegst und ich kann Dir zeigen, wie Du eine liebende Mutter wirst. Und ich kann Dir dabei helfen, von der Hoffnung, dass sie Dir doch noch das geben wird, was Du brauchst, Abschied zu nehmen. Ich gebe Dir die Zuneigung, die Du Dir so sehnlich wünscht. Ich gebe Dir die nötige Geborgenheit, um Dich sicher zu fühlen. Ich höre Dir zu und ignoriere Dich nicht. Ich versuche Dich zu verstehen und Dir zu helfen, wo ich kann. Ich bin deine erste und letzte Vertrauensperson. Ich nehme Dich in den Arm, bin gut zu Dir und ich werde dich stets daran erinnern, dass Du gewollt bist und Du mir genügst, so wie Du bist. Ich werde Dich unterstützen, wo ich nur kann und Dich nicht enttäuschen. Verabschiede Dich davon. Nicht gleich jetzt, auch nicht morgen. Lass Dir Zeit. Der Abschied schmerzt, wenn nicht noch mehr, als die eigentlichen Schmerzen, die sie bei dir auslöst. Es ist okay, wenn es Dir nicht leichtfällt. Aber irgendwann musst Du Dich damit abfinden, dass sie nie Deine Mutter war, die Du gebraucht hättest und sie es auch nie sein wird. Irgendwann musst Du Dir selbst genug sein. Alles Liebe
© Katharina Müller 2023-07-27