Liebeserklärung an das Servitenviertel

Monika Hohenecker

von Monika Hohenecker

Story

Ich könnte hunderte Gründe anführen, warum ich mich vor ein paar Jahren in das Servitenviertel verliebt habe und seitdem nicht mehr wegzubewegen bin. Spontan fällt mir die Servitengasse mit ihrem Kopfsteinpflaster, ihren groß gewachsenen Bäumen und ihren charmanten Cafés und Restaurants mit liebenswerten Besitzerinnen und Besitzern ein. Wenn ich mir aber nur vier Gründe aussuchen dürfte, dann wären es die Qualität des Kaffees im Café Casa, das französische Bistro-Flair der Mercerie, die Herzlichkeit von Nina Öchsli in der Buchhandlung und der Schmäh von Klaus im Edelschimmel.

Mir im Café Casa einen Kaffee zu holen, gehört zu den größten Genussmomenten meiner Woche. Im Sommer erfrische ich mich mit einer Cold Brew Variante, im Winter probiere ich gerne den Espresso aus der Bohne des Tages. Wenn ich mich mit meinem Kaffee auf einen der wenigen und begehrten Plätze in der Servitengasse setze, und die Menschen beobachte, die vorbeischlendern, ist das wie Urlaub. Es scheint, als hätte jemand für die Zone rund um das Café Casa eine absolute Stress-Verbotszone ausgerufen. Egal wie lange die Schlange ist – hier lässt sich niemand aus der Ruhe bringen. Besonders fein ist es, sich mit dem Kaffee auf die Parkbank unter den Baum zu setzen – hier habe ich gar nicht mehr das Bedürfnis jemals wieder aufzustehen.

Ähnlich geht es mir in der französischen Mercerie. Das Croissant zerfällt mir im Mund. Im Hintergrund laufen französische Chansons oder sanfter Jazz. Die Straßenecke ist belebt und bietet von allem etwas: Autos und Straßenbahn, jede Menge Menschen, die man beim Vorbeigehen beobachten kann und eng stehende Tische. Ideale Bedingungen für das Schreiben also. Im Winter ist der Blick durch die hell erleuchteten Fenster besonders einladend – die Mercerie wirkt dann wie ein kleiner Hafen für nach Hause kommende.

Zum Glück kann ich auch einen Teil des Charme des Servitenviertels mit nach Hause nehmen. Wenn ich beim Greissler Edelschimmel einkehre, fühle ich mich in das Einkaufserlebnis meiner Kindheit zurückversetzt. In den Holzkisten liegen Rote Rüben, Karotten, Erdäpfel, Zitronen – alles was das Herz begehrt und so, als hätte ich die Erdäpfel gerade frisch aus der Erde ausgegraben. Die Pflücksalate sind so hübsch in den Schalen angeordnet, dass ich Skrupel habe sie zu essen – lange hält die Zurückhaltung natürlich nicht.

Am Heimweg schaue ich gerne noch in die Auslage des Öchsli Buchgeschäftes. Oft bleibt es nicht dabei und ich lasse mich hineinziehen in diese kleine Oase des Schreibens und Lesens. Ich kann es mir nicht vorstellen, dass es jemand gibt, der es besser als Nina Öchsli schafft, aus einem Raum ein derartiges harmonisches Ensemble zu machen. Am liebsten möchte ich mich in einem Sessel niederlassen und einfach nur die Atmosphäre einatmen.

Dann freue ich mich doch auf zu Hause – mit Kaffee und Croissant im Magen – mit Leckereien aus dem Edelschimmel und einem neuen Buch unter dem Arm – so sollte jedes Wochenende beginnen.

© Monika Hohenecker 2023-01-20

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