Lieferando-Jan

GregorBrauer

von GregorBrauer

Story

Jan arbeitet – wie der Titel der Geschichte durchaus nicht unoffensichtlich suggeriert und es dem ein oder anderem Sherlock Holmes schon aufgefallen sein wird – bei Lieferando.

Jetzt ist das an sich auf den ersten Blick nichts Bemerkenswertes doch zeichnet Jan folgendes seltenes – vor allem in dieser Branche – Merkmal aus: Jan macht seinen Job gerne. Sehr gerne sogar. Dabei ist er gar nicht pervers (oder zumindest nicht perverser als der Durchschnittsmensch es ist (was wenn wir ehrlich sein würden gar nicht so wenig ist)).

Jan braucht nicht viel um glücklich zu sein. Er sieht den Job als guten Sport und bleibt durch seine Arbeit auch noch fit. Besonders gerne fährt er Nachts, da ist immer eine Art von Ruhe die Jan nie ganz einer Ruhe vor dem Sturm oder tatsächlichem Stadtschweigen zuordnen kann, so oder so genießt er es mit seinem Zweiräder durch die Nacht zu schwimmen.

Manche freuen sich über das Essen, das Jan liefert. Manche freuen sich nicht.

Jan freut sich immer.

Er bringt den Leuten ihre Mahlzeiten. Dieses Wort – “Mahlzeit” – hat Jan weitaus lieber als “Essen”, weil es persönlicher, intimer, fast schon familiär ist.

Einige Kunden sieht Jan öfter und er hat ihnen Spitznamen auf ihren Äußerlichkeiten basierend gegeben. Das hat nichts mit Vergesslichkeit, sondern mit einer Art von Liebe, die man nur zu Fremden haben kann, zu tun.

Regelmäßig bekommt Captain Blauauge sein Schnitzel, Madame Rotschopf ihre Pizza oder Senior Müffeltetwas seine Pasta.

Er liefert auch regelmäßig an ein türkisches Restaurant, die anscheinend lieber woanders als bei sich essen, obwohl Jan aus Erfahrung weiß, dass es dort köstlich zugeht. Abwechslungsverlangen wahrscheinlich.

Dort gibt ihm Malik immer einen Ayran aufs Haus, der zwar mit seiner Sämigkeit scheinbar gegen die vom Fahrradfahren verlangte Fitness anzukämpfen scheint aber Jan dann immer die Motivation gibt, das Joghurt in seinen Venen gleich wieder abzuradeln.

Manchmal verlängert Jan die Fahrt, nur aus Jux, ist aber trotzdem immer pünktlich.

Er kennt die Stadt wie seinen Handrücken, freut sich aber trotzdem dort immer wieder mal ein spontanes neues Härchen oder Wimmerl zu entdecken welches er neu erforschen kann.

Das kecke Orange der Uniform war ihm Anfangs zu auffällig und ja, er schämte sich, weil er “nur Essen ausführt”. Merkend aber wie glücklich es ihn und andere macht, trägt er sie jetzt stolz. Seine Uniform des Glückbringens. Wenn es auch nur ein kleines Glück ist, freut sich Jan, dass er es bringen darf.

Lustigerweise hat Jan bei Lieferando noch nie bestellt. Er spielt manchmal mit dem Gedanken sich selbst anonym über die App einen Auftrag zu geben an einen Ort ganz weit draußen, heldenhaft zu den Kollegen zu sagen „Keine Angst, ich übernehm das“, um dann dort hinzufahren und nie wieder zurückzukommen.

Da kichert Jan dann immer, merkt, dass er eh zufrieden ist und wartet auf die nächste Bestellung.

© GregorBrauer 2021-05-22

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