LUNA “Gern hielt‘ ich streng auf Sitte, möchte gern Verleugnen, was ich sprach: doch weg mit Förmlichkeit! Sag, liebst du mich? Ich weiß, du wirst’s bejahn, Und will dem Worte traun; doch wenn du schwörst,”
HELIOS “Ich schwöre Fräulein, bei dem heilgen Mond, der silbern dieser Bäume Wipfel säumt…”
LUNA “Ich schwöre nicht beim Mond, dem wandelbaren, der immerfort die Scheibe wechselt, damit nicht wandelbar dein Lieben sei.”
HELIOS “Wobei denn soll ich schwören?“
LUNA “Lass es ganz! denn wenn du schwörst, So kannst du treulos werden; wie sie sagen, O holder Romeo! wenn du mich liebst: Sag’s ohne Falsch! Gewiß, mein Montague, ich bin zu herzlich; Du könntest denken, ich sei leichten Sinns. Doch glaube, Mann, ich werde treuer sein Als sie, die fremd zu tun geschickter sind. Auch ich, bekenn‘ ich, hätte fremd getan, Wär‘ ich von dir, eh‘ ich’s gewahrte, nicht Belauscht in Liebesklagen. Drum vergib! Schilt diese Hingebung nicht Flatterliebe, Die so die stille Nacht verraten hat!“
HELIOS Ich frage mich oft wie es für mich ohne das Dunkle, das unsere Welt überfallen hat, weitergegangen wäre. Ich würde wohl nicht mit Luna in meinen Armen hier liegen. Die Behutsamkeit mit der unsere Körper aneinander begegnen, wäre ein nie geschriebenes Lied, dazu verdammt niemals zu erklingen. Aber ich stelle mir gerne vor, dass wir auch ohne diese Realität irgendwie aneinander gestoßen wären. Vielleicht hätte ich irgendwann leicht verstrahlt in der Bahn gesessen. Hamburg Hauptbahnhof bis Wandsbeker Chaussee. Tags zuvor wäre ich diesem Mädchen in die Arme gelaufen. Sprichwörtlich in die Arme. Ein Blick zu viel aufs Handy und wir wären irgendwo unter lauten Flüchen, fliegenden Kaffeebechern und der allgemeinen Belustigung der Umherstehenden zusammengekracht. Ich glaube, wir hätten uns zuerst böse angeguckt, dann aber auf den zweiten, dritten, spätestens aber auf den vierten Blick eine stille Übereinkunft im Sinne von „dich-behalt-ich-sorry-mich-wirst-du-erstmal-nicht-mehr-los“ getroffen. Wir würden jetzt wohl ebenso aneinander gelehnt herumliegen, wie wir es hier tun. In der Gegenwart des anderen vor uns herexistierend.
LUNA “O sel’ge, sel’ge Nacht! Nur fürcht ich, weil mich Nacht umgibt, dies alles sei nur Traum, zu schmeichelnd süß, um wirklich zu bestehn…”
Licht beginnt zu flackern HELIOS steht auf.
LUNA “Willst du schon gehn? Der Tag ist ja noch fern.”
HELIOS “Raubst du dein Licht ihr, wird sie bang durchwacht.”
LUNA “Es war die Nachtigall und nicht die Lerche”.
HELIOS “Trau mir, das Licht ist nicht des Tages Licht, die Sonne hauchte dieses Luftbild aus dein Fackelträger diese Nacht zu sein.”
LUNA “Hell? Dunkler stets dunkler unsere Leiden.”
© Josephine Bartels 2022-08-30