von Gabriele Leeb
Ich gehe ins Badezimmer, stelle die Musik an und wende mich dem Spiegel zu. Ich blicke hinein und gerate beinahe in Panik. Da, auf der Oberlippe ist eine Fieberblase! Lippenherpes. Eine riesige Blase. Der Virus hat mich wieder erwischt. Zwei bis dreimal pro Jahr mindestens werde ich von ihm gequält. Wenn der Virus einmal im Körper ist, kann er immer wieder ausbrechen, besonders bei Stress.
Zwei Tage nach Mamas Begräbnis hat er sich nun gezeigt. Normalerweise dauert er bis zu sieben Tage und ist hochansteckend. Küssen verboten! Verdammte Sch… Wir haben doch in fünf Tagen unser zweites Treffen. Und küssen ist doch so wunderbar und macht mich so an. Und natürlich ist auch Oralverkehr verboten. Sollte ich unser Treffen absagen, obwohl ich mich so danach sehne?
Es sieht nicht nur unschön aus, nein, es zaubert mir Verzweiflung ins Gesicht. Sofort suche ich nach meiner Herpes Creme und sehe mit Entsetzen, dass die Tube fast leer ist. Ich habe noch eine neue antibiotische Salbe und auch Rhabarbertinktur. Ich pinsle mir die Tinktur großzügig auf die Oberlippe und leuchte jetzt mit einem dunkelbraunen Fleck aus meinem Spiegel. Dann noch einen Klecks weiße Salbe darüber. Ich sehe aus wie ein Clown.
Ich schaue im Internet nach Hausmittel bei Herpes und finde ein paar skurrile Anweisungen. Zahnpasta auf dem Bläschen und Melissencreme sollen gute Erfolge zeigen. Mit Honig oder Alkohol einreiben oder Teebaumöl daraufgebeben. Melisse soll etwas wirken, aber kann die Vermehrung nicht stoppen. Am besten hilft eine antivirale Herpes Creme aus der Apotheke oder vom Arzt. Die soll dann mehrmals täglich mit einem Wattestäbchen aufgetragen werden, nicht mit den Fingern.
Ich werde mir morgen gleich eine Creme bei meinem Arzt besorgen, aber ich habe wenig Hoffnung, dass die Fieberblase in fünf Tagen weg ist. Super, außer Gefecht gesetzt von einer Fieberblase. So ein Mist!
© Gabriele Leeb 2022-03-14