Ein Gasthaus mit offenem Gastgarten reicht schon, um sich den Künsten der Sprache hinzugeben. Die serielle Veranstaltung findet jedes Jahr im Hartbergland statt, bekannte wie auch weniger gehörte Autoren und Literatinnen sind dabei anzutreffen. Wir wohnten einem dieser Literaturfeste bei, welches in seiner Einfachheit erstrahlte.
Freitag, ein lauer Juni-Abend. Das Leben in der beschaulichen Oststeiermark floriert, die urigen Buschenschänke gut besucht. Uns zog es zu einer ländlichen Gastwirtschaft mit modernen Elementen. Der Außenhof, der straßenseitig und doch ruhig gelegen ist, war gut gefüllt. Ein kleiner Holztisch, zwei Glaserl Bier und zurücklehnen. Zu Beginn jedoch die schlechte Nachricht, der Aichinger, der mit der Totenfrau, musste kurzfristig absagen. Für ihn war der Vater vom Gasperlmair, der Dutzler, vor Ort.
Hoch sympathisch präsentierte der Ausseerländler seine Krimis um den verschrobenen Dorfpolizisten. Sein spontanes Einspringen ließ ihn noch gemütvoller erscheinen, er hatte auch seine Frau im Gepäck, die Geburtstag hatte. Ein improvisiertes Stelldichein sozusagen, welches von ihr sehr wohlwollend zur Kenntnis genommen wurde. Der Schöpfer der amüsanten Kriminalromane war der Hauptakt und las, als bereits die Nacht über uns hereingebrochen war. Lichterketten und grelle Laternen beleuchteten die gepflasterte Fläche mit den vielen Menschen. Vorne am Tisch war außerdem eine Lampe vorhanden, Sicht auf das Verfasste war gegeben.
Davor trug eine bemerkenswerte Frau, deren Name mir bis dato unbekannt war, ihre Geschichte vor. Wir wollten den Aichinger hören, die Melanie Raabe wird dann so im Vorbeigehen aufgeschnappt. In einer schönen Sprache, welche für oststeirische Gefilde höchst ungewöhnlich anmutete, stellte sie sich kurz vor. Apart verstand sie, das Publikum, trotz ihrer vorwiegenden Unbekanntheit, schnell in ihren Bann zu ziehen. Mit einer Finesse, welche weniger durch ihre Wortwahl als durch ihre Betonung gegeben war, durchbrach sie die Schwere der hitzigen Luft. Die angrenzende Kirche wirkte im aufkommenden Mondlicht als passende Untermalung für die düstere Stimmung, die das Thema ihres Werkes ausstrahlte. In Summe also rundum gelungen, wenngleich sie doch ein wenig zu viel über das Fortschreiten ihres Romans verriet.
Der Abend war perfekt, es hat sich ausgezahlt, das Vereinstraining ausfallen zu lassen. Müde von den vielen Eindrücken unterhielten wir uns leise am Nachhauseweg und übertrafen uns mit positiven Wortschwallen. Seit dieser Zeit war ich mir sicher, dass ich Raabe lesen würde.
Jedoch war mir das Voranschreiten, ihr Spoiler, ein Dorn im Auge. Als ich zur Weihnachtszeit, gut eineinhalb Jahre später, ihren Namen las, konnte ich mich nicht mehr an ihre Vorausschau erinnern. Sofort bestellte ich das Buch. Letzte Woche hatte ich schließlich Zeit, es zu lesen und es war mir, als spräche die sommerlich gekleidete Frau, die damals den Abend verzauberte.
© Thomas Schützenhöfer 2020-03-24