Lockdown-Kaffee im Grünen

Lilly Frost

von Lilly Frost

Story

Der Lockdown zipft mich ziemlich an und meine Stimmung ist – gelinde gesagt – im Keller. Keine Freunde treffen, kein frühzeitiges Weihnachtsshopping, kein Kaffetscherl in der Altstadt. Noch nicht einmal bei der Mama. Das kann einem schon die Laune vermiesen.

Aber in die frische Luft raus, das geht! Also wird kurzerhand der Vierbeiner an die Leine genommen und das Samer Mösl angesteuert. Die Sonne trotzt dem November und zaubert ein bisschen Wärme in die kühle Luft. Na bitte, gibt doch ein paar Freuden – auch in dieser Zeit!

Der Wuffi ist – energietechnisch betrachtet – mehr eine bellende Ausgabe des verfressenen Garfield. Schon nach einem halben Kilometer pausiert er, genüsslich an einem Baum schnuppernd, und lässt sich von meinen mehrfachen Aufforderungen, endlich weiterzugehen, keineswegs beirren. Mit nahezu meditativer Gelassenheit ignoriert er meine Rufe ebenso wie das Zerren an seiner Leine. Erst eine hübsche Labradordame reißt ihn aus seiner Versenkung und er sprintet mit wehendem Fell auf sie zu.

Je weiter wir gehen, desto mehr fällt mir auf, wie viele Spaziergänger, Jogger, Familien mit Kindern, Hundehalter und Paare wohl denselben Gedanken hatten wie ich: Hauptsache raus aus dem Haus! All jene, die sich sonst in vorweihnachtlichem Rausch durch den Europark wälzen, wuseln jetzt hier in freier Natur und fangen jeden einzelnen Augenblick des Anti-Lockdown-Sonnenschein-Feelings auf, um die nächsten Stunden in der Isolation zu überstehen. Fast minütlich weichen mein wenig sportlicher Vierbeiner und ich einer entgegenkommenden Menschengruppe (bestimmt ein erhöhtes Aufkommen von Großfamilien), einer sechs Mann starken Fahrradtruppe oder einer halben Fußballmannschaft an Jugendlichen aus. Ein paar Mal atme ich tief durch. In Nicht-Corona-Zeiten ist ein Marsch durch die Salzburger Getreidegasse kaum weniger hektisch.

Ein paar Meter vor mir entdecke ich ein Grüppchen von Menschen, allesamt Hundehalter, die rund um eine Parkbank stehen. Ein wenig verwundert, nähere ich mich der Gruppe, die brav mindestens anderthalb Meter Abstand zueinander hält. Auf der Bank stehen zwei große Thermoskannen. Daneben einige Becher. Mein Hund hat bereits Freundschaft mit zwei Artgenossen geschlossen.

„Auch einen Kaffee?“, fragte eine Frau in meinem Alter lächelnd.

Ich zögere.

„Na komm“, meint sie und gießt mir etwas Kaffee in einen Becher, stellt ihn ab und sieht mich auffordernd an.

Warum eigentlich nicht? „Danke! Genau, was ich jetzt brauche!“

Wir sind zu sechst, irgendwann zu siebt und plaudern über Gott und die Welt. Wie gut das tut, einfach wieder einmal mit anderen Menschen zu ratschen.

„Morgen? Selbe Zeit?“, fragt die Frau, die Karin heißt, als ich schließlich aufbreche.

„Gerne!“, erwidere ich, „Aber morgen bringe ich eine Kanne Kaffee!“

Beschwingt gehen mein Hund und ich nach Hause. Ich freue mich. Auf meinen nächsten Lockdown-Kaffee im Grünen.

© Lilly Frost 2020-11-21

Hashtags