„Hi Alex, long time no see. Karli hier. Du, wir sind gerade in der Nähe. Ich hab gehört, du und Eva, ihr habt euch da im Grünen was aufgebaut. Wir kommen vorbei“. Wer ist wir und wer ist Karli? Jesus, der mit dem ich früher manchmal unterwegs war? Geh bitte. „Ok, Adresse und so kennst du?“ „Yes, tschauli.“ Tschauli? Zwei Minuten später stehen die im Hof. Der Karli, eine Frau und zwei Kinder. Kilian und Sha oder She, wahrscheinlich Che. Fertig sieht er aus, der Karli. Sie blicken sich um und sind ob der Größe des Anwesens überrascht, irritiert – versuchen, sich nichts anmerken zu lassen. Ich biete ihnen etwas zu trinken an. Wein, Bier, Wasser, Saft für die Kinder. Karli entscheidet sich – und alle trinken Wasser. Karli erklärt mir, Alkohol macht aggressiv. Wenn sie sich entspannen wollen, dann bitte nur mit Dope und Weed, gibt nichts Besseres. Aber eigentlich sind sie immer entspannt. Ich mache mir ein Bier auf. Weiß nicht genau, was ich jetzt sagen soll und die Frage „Wie gehts?“ macht mir Angst. Deshalb mache ich mal nichts. Da fängt er an zu erzählen. Dass sie jetzt in einem soziokratischen Wohnprojekt wohnen. Die Kohle haben sie über einen alternativen Investmentpool aufgestellt. Alles nachhaltig. Alle Wohnungen sind schon vergeben. Aber ich kann mich auf die Liste setzen lassen, vielleicht kann er was für mich tun. Er hat sich kürzlich als Trainer für gewaltfreie Kommunikation selbstständig gemacht. Am Aufbau des Kundenstocks arbeitet er. Fein. Wie geht’s jetzt weiter, frag ich mich und fragt sich sicher auch der Karli. Tja, wollt ihr was essen? Ach, das ist jetzt blöd. Karli isst kein Fleisch. Schon seit Jahren. Spaltenböden und Anbindehaltung. Gibt’s das noch, weiß ich gerade nicht. Ich hätte Würstel warm gemacht, mit Ketchup. Für Kinder meistens optimal. Die Kinder essen kein Fleisch. Sie sehen hungrig aus. Ich mache ihnen zwei Butterbrote mit Salz. Meine Kinder zeigen Karli’s Kindern ihr Spielzeug. Die sind sofort interessiert. Na wenigstens hier klappt die Kommunikation. Schön. Karli hat inzwischen ein Feuer im Hof gemacht. Wirft einen Meter Spaltholz nach dem anderen in die Flammen. Egal. Die Frau spricht kaum und vermeidet jeden Blickkontakt. Eva bietet an, den Kindern und ihr die Bienenstöcke zu zeigen. Dann sind sie weg. Jetzt sitze ich alleine mit dem Karli am Feuer. Er erzählt mir von lebensbejahenden und kulturtransformierenden Sichtweisen. Und dass wir nur Gast in dieser Welt sind und das Ganze sehen müssen. Wahrscheinlich hat er recht. Ich hab das schon mal wo gelesen. Und natürlich können wir unsere imperiale Lebensweise so nicht durchziehen. Logisch. Trotzdem hole ich mir jetzt noch ein Bier. Da sitzt der Karli schon mit einem fetten Ofen am Feuer. Das stresst mich, weil ich keinen Bock darauf habe, den Kindern zu erklären, warum und was der Mann da raucht. Plötzlich kommen Eva, die Kinder und Karli’s Frau mit einer Flasche Wein in der Hand zurück. Eva und Karlis Frau scheinen einen guten Draht zueinander zu haben, unterhalten sich, lachen und trinken gemeinsam. Da reißt es den Karli hoch. „Du dumme Sau“ schreit er noch – ich bin überfordert und der Typ startet mit geballten Fäusten auf seine Frau los. Die duckt sich weg, will irgendwie noch ihre Kinder schützen. Boom, da knallt ihm Eva eine, dass es den Karli aus den Latschen hebt. Knockout. Ich liebe diese Frau.
© Alexander E. Aigner 2023-09-05