von Veronika Wlasaty
Loriot, kurz Lori, war ein leidenschaftlicher FreigĂ€nger, der sich – stĂ€ndig auf der Pirsch – gern die Nacht um die Ohren schlug. Morgens lagen dann die Beutereste, meist der bittere Teil, Leber mit Galle auf der „Tranchierbank“, sprich dem Vorhaus-Terracottaboden. War die Jagd erfolgreich, fiel auch fĂŒr mich was ab. So verging kein Tag, an dem ich nicht gequĂ€lt und naserĂŒmpfend, doch stets mit lobendem Kopfgekraule fĂŒr den kĂŒhnen JĂ€ger, MĂ€use verschiedenster Spezies, von Spitz- bis WĂŒhl-, entsorgte. Nach mehr Geschmuse stand mir dann nicht der Sinn – da könnte ich ja gleich mit der Maus kuscheln. Nichts gegen MĂ€use, aber seit mir eine zum Dank fĂŒr ihre Lebensrettung in den Finger biss, ist unser VerhĂ€ltnis ein wenig angeknackst.
ZurĂŒck zu Lori. Seit seinem Umzug vom Land in die Stadt, natĂŒrlich mit mir im GepĂ€ck, hat es sich ausgemaust. Abgesehen von der Maus-Attrappe einer Kaufhauskette, auf die er sich, vermutlich nur mir zu Liebe, hin und wieder einlĂ€sst, istÂŽs vorbei mit dem Halali. Nicht dass es hier kein MĂ€usemenĂŒ gĂ€be. Die neue Freiluft-Umgebung macht ihm zu schaffen. War es frĂŒher der Nachbarskater, der ihn in ohrenzerfetzende Balgereien verwickelte und so das FĂŒrchten lehrte, so ĂŒberkommt ihn jetzt schon beim bloĂen Anblick des Stiegenhauses ein Schaudern, das ihn zur RĂŒckkehr in die „Katzenhöhle“ zwingt und ihm den Weg in den Selbstbedienungsladen fĂŒr MĂ€use verwehrt.
Mir blutet das Herz. Und das hat nichts mit dem Umstand zu tun, dass es zum FrĂŒhstĂŒck nun keine „grauen Happen“ mehr fĂŒr mich gibt. Ich erkenne meinen Kater nicht wieder. Innerhalb weniger Wochen ist er vom leidenschaftlichen FreigĂ€nger zum Stubenhocker mutiert. Meine Versuche, ihn mittels Stoffmaus und PapierbĂ€llchen an Schnur vom Sofa abzuwerben, quittiert er mit einem mĂŒden Blick, der mir wohl bedeuten will „Arbeit war gestern“. Ich protestiere. FĂŒr die Katzenpension ist er mit seinen gerade mal vier Jahren noch zu jung.
Die Katzenpsychologen meinen, ich mĂŒsse mich mehr in Geduld ĂŒben. Sein schaumgebremstes Verhalten sei dem Umzug geschuldet und fĂŒr mich schwerer zu ertragen als fĂŒr den Kater. Alles Projektion. Das muss ich jetzt also „aussitzen“, so wie Lori das vorbildlich tut.
Vielleicht sollte ich mich in der Zwischenzeit mit meiner eigenen Befindlichkeit beschĂ€ftigen. Denn der Umzug ist auch an mir begeisterter „FreigĂ€ngerin“ nicht spurlos vorĂŒbergegangen. Möglicherweise ist Lori nur mein Spiegel. Autsch!
© Veronika Wlasaty 2020-03-13