von Alina Jessl
âIch bin verloren gegangen. Wie eine Sache. Nur irgendwie anders.â
Betrachtet man das Universum, ist es nicht sehr spektakulĂ€r, dass ich irgendwie verloren gegangen bin. All die Planeten und der weite Weltraum. Schrecklich viele Planeten. Und Leere und nichts. Und dann, auf der Erde, da kam ein Mensch abhanden. Durch bestimmte LebensumstĂ€nde kam der Mensch von der StraĂe des Lebens ab. Hat sich verlaufen, hat sich verloren. Im Universum hat es keinerlei Bedeutung, keine Auswirkungen, keine Folgen. Es ist wie eine kleine MĂŒnze, die aus der Tasche fĂ€llt und niemand bemerkt. Es spielt keine Rolle. Oder? Ich bin unsicher. Betrachtet man die Einzelheiten spielt es doch eine Rolle. Betrachtet man die MĂŒnze und dessen Besitzer, der vielleicht nur eine MĂŒnze hatte, dann spielt es eine Rolle. Doch betrachtet man das Universum, dann und nur dann, spielt es scheinbar keine Rolle. Was ist also die Wahrheit? Spiele ich eine Rolle?
Und wĂ€hrend ich tagein, tagaus mit der Schwere meiner selbst hadere und die Stille unglaublich laut ist, dann wĂŒnsche ich mir, dass es auch fĂŒr mich keine Rolle mehr spielt. Dass auch meine Hoffnung stirbt. Denn das wĂ€re sehr erleichternd. Aber ich bin zu faul, um aufzugeben. Auch das wĂ€re zu viel Aufwand. Und so sitze ich hier und denke darĂŒber nach, ob ich eine Rolle spiele. Mein Schmerz ist manchmal so laut, dass er alle RĂ€ume fĂŒllt. Jeden einzelnen in der ganzen Wohnung. Er schreit mir entgegen. Er lacht laut ĂŒber meine Dummheit. Meine NaivitĂ€t und ihren Glauben an das groĂe GlĂŒck. Er zieht sich zurĂŒck und stöĂt mir in alltĂ€glichen Situationen so fest ins Herz, dass Ihr die Luft zum Atmen fehlt. Wieso bekomme ich andauernd so wenig Luft?
Er heuchelt mir Besserung vor und ĂŒberfĂ€llt mich von hinten, wenn ich glaube, dass sie auch nur einen Schritt ohne ihn gehen könnte. Er ist allgegenwĂ€rtig und gleichzeitig nicht prĂ€sent. Auch die Stille in meinem Leben erscheint immer unertrĂ€glich. UnertrĂ€glich still und gleichzeitig ist es in meinem Inneren so unertrĂ€glich laut. Ich will schreien, aber es gefĂ€llt mir nicht, wie meine Stimme klingt. Also schreie ich innerlich und wundere mich, warum es dann niemand hört. Warum hört mich niemand und warum sieht niemand wie ich zerbreche? Warum bin ich so allein? Aber es ist schlieĂlich mein Kampf. Wer wĂŒrde es verstehen? Ich weiĂ nicht mal, was ich hier bekĂ€mpfe. Um was geht es? Manchmal wĂŒnsche ich mir selbst GlĂŒck. Mit einem LĂ€cheln um die Lippen, wie man es Menschen schenkt, von deren vollkommen verrĂŒckten PlĂ€nen man fasziniert ist und gleichzeitig weiĂ, dass sie scheitern werden. Bin ich eine traurige Geschichte?
Aber ich habe Hoffnung. Hoffnung will nicht sterben. Sobald in den vollkommen absurdesten Situationen sich unter tausenden von Wolken ein minimaler Lichtstrahl durch schleicht, auch wenn nur zufĂ€llig: Das GefĂŒhl der Hoffnung schnappt ihn sich und macht ein vollkommen anderes Thema daraus. Sie manipuliert, weil sie gute Beziehungen zu dem Selbsterhaltungstrieb hat. Gemeinsam sitzen sie im Hinterzimmer des Bewusstseins und tun so, als wĂŒrden sie PlĂ€ne schmieden. Sie schmieden keine PlĂ€ne. Sie haben nie wirklich einen Plan. Sie wissen nicht, wie es weitergeht. Sie vermitteln nur, dass es weitergeht.
Meinetwegen kann die Hoffnung sterben.
© Alina Jessl 2024-09-13